Digitale Barrierefreiheit: Webseiten öffentlicher Stellen erfüllen gesetzliche Vorgaben nur zur Hälfte

22.09.2021, 17:09 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Am 23.09.2021 ist der erste Jahrestag der Umsetzungsfrist von EU-Richtlinie 2016/2102 zur digitalen Barrierefreiheit von Webseiten. Im Durchschnitt werden nur die Hälfte der Kriterien zur Barrierefreiheit erfüllt. Das hat die Prüfung der entsprechenden sächsischen Überwachungsstelle ergeben. Eine geforderte »Erklärung zur Barrierefreiheit« ist nur bei etwa jeder zehnten Webseite zu finden.

Seit dem 23. September 2020 sind öffentliche Stellen in Bund, Ländern und Kommunen sowie von diesen finanzierte Einrichtungen nach der EU-Richtlinie 2016/2102 verpflichtet, ihre Webseiten barrierefrei zu gestalten und auf diesen jeweils »Erklärungen zur Barrierefreiheit« zu veröffentlichen. Diese Verpflichtung gilt seit Juni 2021 auch für die mobilen Anwendungen bzw. Apps, die von öffentlichen Stellen beauftragt oder finanziert worden sind.

Obwohl die Vorgabe zur barrierefreien Gestaltung der Webseiten öffentlicher Stellen bereits seit einem Jahr besteht, sind nach dem Bericht der sächsischen Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik viele Webseiten für Menschen mit Behinderungen nicht zugänglich. Von Juli 2020 bis Mai 2021 sind insgesamt 43 Webseiten von sächsischen öffentlichen Stellen unterschiedlicher Sektoren, bspw. des sozialen Sektors, der Gesundheit, des Verkehrs, der Arbeit und der Bildung, einer Kurzprüfung auf Barrierefreiheit unterzogen worden. Von diesen Webseiten erfüllten ungefähr nur die Hälfte die Barrierefreiheitsanforderungen.

Laut dem vor kurzen veröffentlichten Bericht des Freistaates Sachsen zur Überwachungstätigkeit enthalten zudem nur 9 % der geprüften Webseiten eine sogenannte »Erklärung zur Barrierefreiheit«. Eine solche gibt einerseits Auskunft zum Stand der Barrierefreiheit des betroffenen Webauftritts. Andererseits können sich Nutzer durch die angegebenen Kontaktdaten in der Erklärung an die betreffende öffentliche Stelle wenden. Sollten Inhalte für sie nicht barrierefrei zugänglich sein, können sie diese bei der öffentlichen Stelle melden und barrierefreie Alternativen anfragen. Bleibt dies erfolglos, kann der Nutzer ein Schlichtungsverfahren bei der Durchsetzungsstelle einleiten.

Besonders häufig wurden folgende Fehler auf Webseiten vorgefunden, die zugleich kritisch für die Nutzung sind:
• Alternativtexte für grafische Bedienelemente wie Schalter fehlen,
• die Tastaturbedienbarkeit ist nicht gegeben,
• Farbkontraste sind unzureichend,
• in der Optik erkennbare Strukturen sind nicht semantisch im HTML-Quelltext ausgezeichnet, was die Bedienung mit Screenreader stark einschränkt.

Aus solchen Fehlern entstehen besonders für Menschen mit Sehbehinderung und blinde Menschen sowie Menschen mit Mobilitätsbehinderung erhebliche Schwierigkeiten für die Bedienung der Webseiten. In manchen Fällen ist eine eigenständige Bedienung unmöglich.

Der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Herr Stephan Pöhler, sieht den ersten Jahrestag der Umsetzung der EU-Richtlinie im Freistaat Sachsen kritisch. »Die Erklärung zur Barrierefreiheit stellt ein wichtiges Mittel für Menschen mit Behinderungen dar, ihre Rechte einzusetzen. Die Tatsache, dass weniger als jede zehnte Webseite von öffentlichen Stellen eine Erklärung beinhaltet, ist inakzeptabel«.

Zur Verbesserung der digitalen Zugänglichkeit sind verschiedene Maßnahmen im Freistaat Sachsen geplant. Vor allem sollen die Schulungsangebote für öffentliche Stellen erweitert werden und durch Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkarbeit sollen die Stellen für ihre Verpflichtungen sensibilisiert werden.

Den Bericht der sächsischen Überwachungsstelle können Sie bei Interesse auf der Webseite der Überwachungsstelle herunterladen.


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