Freistaat Sachsen legt Studie zu Wohnbedarf von Menschen mit Behinderungen vor

06.03.2017, 17:48 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

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Experten der Podiumsdiskussion zur Offenen Tagung des Beauftragten (© Miroslawa Müller)

Experten der Podiumsdiskussion sitzen an zwei Tischen und hören den Ausführungen des aktuellen Redners zu, der vor ihnen in einem Rollstuhl sitzend ins Mikrophon spricht

Experten der Podiumsdiskussion zur Offenen Tagung des Beauftragten (© Miroslawa Müller)

Experten der Podiumsdiskussion sitzen an zwei Tischen und hören den Ausführungen des aktuellen Redners zu, der vor ihnen in einem Rollstuhl sitzend ins Mikrophon spricht

Experten der Podiumsdiskussion sitzen an zwei Tischen und hören den Ausführungen des aktuellen Redners zu, der vor ihnen in einem Rollstuhl sitzend ins Mikrophon spricht

Gemeinsame Pressemitteilung des Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz und dem Sächsischen Staatsministerium des Innern

Die 6. Offene Tagung des Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen fand heute im Beisein der Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Barbara Klepsch, im Haus an der Kreuzkirche in Dresden statt.

Unter dem Thema „Aktionsplan der Sächsischen Staatsregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ - Schwerpunkt „Wohnen“ wurde vor mehr als 100 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die vom Sächsischen Staatsministerium des Innern in Auftrag gegebene neue Studie „Bedarfsgerecht barrierefreier Wohnraum in Sachsen“ vorgestellt und diskutiert. Sie ist eine Maßnahme des Aktionsplans der Staatsregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, der im vergangenen Jahr beschlossen wurde.

Als erstes Bundesland hat der Freistaat Sachsen eine gezielte Studie zu den subjektiven Wohnbedürfnissen von Menschen mit Behinderungen in Auftrag gegeben. Dabei wurden insbesondere motorische oder sensorische Behinderungen berücksichtigt und die spezifischen Wohnbedarfe für diese Personengruppen ermittelt. Für die Studie wurden 2400 Antworten von Menschen mit Behinderungen aller Altersgruppen im Landkreis Bautzen, dem Erzgebirgskreis und der Stadt Leipzig exemplarisch ausgewertet.

Gibt es genügend Bewegungsspielraum im Bad? Ist ein schwellen- und stufenloser Wohnungszugang gewährleistet? Können die Fenster trotz Behinderung geöffnet werden? Ist der Platz fürs Abstellen von Hilfsmitteln ausreichend? Die Studie hat fünf Kriterienkataloge ermittelt, in denen aufgeführt wird, wie die Ausstattung von Wohnung und unmittelbarem Wohnumfeld aussehen sollte, damit sie für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsarten und unterschiedlichen Hilfsmitteln bedarfsgerecht ist. Legt man diese Kriterien zu Grunde, ist derzeit nur bei etwa 12 Prozent der Wohnungen für Menschen mit einer motorischen Behinderung von einer Bedarfsgerechtigkeit auszugehen, bei Wohnungen für Menschen mit einer sensorischen Behinderung liegt der Wert dagegen bei 42 Prozent. Der größte Anpassungsbedarf besteht bei Wohnungen und dem Wohnumfeld für Menschen, die einen Elektro-Rollstuhl oder Rollstuhl mit Hilfsperson benötigen.

„Wir wollen den Weg in eine inklusive Gesellschaft gemeinsam gehen. Dabei wird auch das Thema barrierefreier Wohnraum künftig besonders im Fokus stehen. Und hier liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns“, betonte die sächsische Sozialministerin Barbara Klepsch während der Tagung. „Um aber wirklich die Barrieren in den Köpfen abzubauen, müssen wir zeigen, dass Barrierefreiheit allen nützt und die Attraktivität des Wohnumfeldes erhöht. Einen Fahrstuhl neben der Treppe können Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen oder Senioren gleichermaßen nutzen.“

„Bedarfsgerechten barrierefreien Wohnraum zu finden, stellt nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch viele Familien mit Kindern und viele ältere Menschen vor große Schwierigkeiten. Wie die Studie verdeutlicht, sind das aktuelle Angebot und der zukünftige Bedarf an barrierefreiem Wohnraum weit voneinander entfernt. Die Anpassung des Wohnungsbestandes wird sich zu einer der dringendsten gesellschaftlichen Aufgaben im Freistaat Sachsen entwickeln, bei der ich die vollumfängliche bauordnungsrechtliche Erfassung für unumgänglich halte“, so der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Stephan Pöhler. „Die Ergebnisse bestätigen die Erwartungen: Viele Menschen mit Behinderungen wohnen in Wohnungen, die ihren Einschränkungen nicht gerecht werden.“

„Trotz der oftmals erheblichen Einschränkungen im Alltag ist es erfreulich, dass insgesamt 90 Prozent der Befragten sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation sind. Mit der Studie liegen nun erstmals detaillierte Kriterienkataloge für bedarfsgerechte Wohnungen sowie das unmittelbare Wohnumfeld vor“, sagte Innenminister Markus Ulbig im Vorfeld der Tagung. „Unabhängig von den hohen Zufriedenheitswerten sieht die Studie jedoch Handlungsbedarf, mehr Wohnungen bedarfsgerecht barrierefrei zu gestalten. Dies ist eine Aufgabe für alle wohnungspolitischen Akteure und Ansporn für die Politik. Mein Haus wird in den nächsten Wochen eine entsprechende Richtlinie zur Anpassung von Wohnraum an die Bedarfe von behinderten Bewohnern vorlegen. Damit werden wir für viele Menschen den Alltag erheblich erleichtern“, so Ulbig.

Das Staatsministerium des Innern fördert bereits seit 2007 den Abbau von Barrieren in Wohnungen und Wohngebäuden mittels Darlehen. So wurden bis Ende 2016 rund 63,6 Millionen Euro Fördermittel für rund 6.000 Wohneinheiten ausgereicht. „Aber wir werden weitere Anstrengungen unternehmen, um die Bedarfsgerechtigkeit insbesondere für Rollstuhlfahrer zu verbessern“, betonte Ulbig.

Die Studie wurde vom Institut für Holztechnologie Dresden gemeinnützige GmbH (IHD) erstellt. Die Projektleiterin leitet bei der Architektenkammer Sachsen die Arbeitsgruppe für barrierefreies Bauen und Planen.


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