Sachsen und Thüringen fassen gemeinsame Beschlüsse für eine engere Zusammenarbeit

18.06.2019, 13:07 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Altenburg (18. Juni 2019) - In einer gemeinsamen Kabinettssitzung im Residenzschloss Altenburg haben die Sächsische Staatsregierung und die Thüringer Landesregierung heute eine engere Zusammenarbeit in verschiedenen Politikbereichen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene verabredet.

„Gerade in Zeiten einer von zunehmender Lautstärke und Aggressivität geprägten politischen Diskussion ist es wichtig, gemeinsame Interessen länderübergreifend sachlich zu formulieren und sich gemeinsamen Herausforderungen im Geiste einer konstruktiven Zusammenarbeit zu stellen“, betonte Ministerpräsident Bodo Ramelow. „Die heute gefassten Beschlüsse illustrieren dies auf vielfältige Art und Weise.“

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer: „Die Freistaaten Thüringen und Sachsen verbinden gemeinsame Interessen und Herausforderungen. Dies gilt insbesondere bei der Ausgestaltung der zukünftigen europäischen und deutschen Förderpolitik. Gemeinsam gehen wir entschieden gegen Reichsbürger und Hasskommentare im Internet vor und bauen die Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden aus. Gegenüber dem Bund setzen wir uns für eine vollständige Elektrifizierung der länderüberschreitenden Bahnverbindung ein, um Chemnitz wieder an den Eisenbahnfernverkehr anzuschließen. Die erfolgreiche länderübergreifende Kooperation zur Weiterentwicklung der Tourismusregion Vogtland werden wir verstärken.“

Folgende Beschlüsse wurden gefasst:

Themenfeld Europa und Finanzen

In einem Beschluss zur Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik fordern Sachsen und Thüringen mit Blick auf die laufenden Verhandlungen für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2021-2027) die Fortführung einer wirksamen EU-Kohäsionspolitik nach 2020 auf angemessenem Niveau. Voraussetzung dafür ist unter anderem, den Anteil der Kohäsionspolitik am EU-Haushalt gegenüber dem aktuellen Finanzrahmen nicht zu reduzieren. Mittelverluste der ostdeutschen Übergangsregionen sollen durch ein Sicherheitsnetz auf regionaler Ebene auf maximal 24 Prozent begrenzt und die EU-Ko-Finanzierungssätze nicht unter 70 Prozent abgesenkt werden.

Ähnliches gilt für die Durchsetzung ostdeutscher Interessen, die in den beschlossenen Gemeinsamen Forderungen in Bezug auf die „Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse“ zum Ausdruck kommen. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission befasst sich mit einem breiten Themenspektrum, das von der künftigen Ausgestaltung der gesamtdeutschen Strukturförderung, kommunalen Altschulden, Raumordnung und Statistik, Mobilfunk- und Breitbandausbau, Verkehrsinfrastruktur und Mobilität über die soziale Daseinsvorsorge und Arbeit bis zur Teilhabe und Zusammenhalt der Gesellschaft reicht. Die beiden Landesregierungen fordern, dabei die ostdeutsche Wirtschaftslage gezielt in den Blick zu nehmen, um einen weiteren wirtschaftlichen Aufholprozess zu ermöglichen. Der Schwerpunkt der Kommissionsarbeit solle auf der finanziellen Ausstattung der gesamtdeutschen Strukturförderung liegen. Das Wachstumspotential der von KMU geprägten ostdeutschen Wirtschaft müsse durch eine spezifische Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gezielt gehoben werden. Erreichtes dürfe nicht durch ein Absenken des aktuellen Förderniveaus gefährdet werden.

Themenfeld 30 Jahre Friedliche Revolution und Aufarbeitung

30 Jahre nach der Friedlichen Revolution haben die beiden Landesregierungen in einem Beschluss den Mut und die Zivilcourage jener Menschen gewürdigt, die die Friedliche Revolution getragen haben.

Gleichzeitig setzen sich beide Landesregierungen für eine Verbesserung der Rechtsstellung von ehemaligen DDR-Heimkindern bei der strafrechtlichen Rehabilitierung ein. Die Betroffenen begegnen in den Rehabilitierungsverfahren häufig dem Problem, dass eine politische Verfolgung im Rahmen der Anordnung der Heimunterbringung nicht mehr feststellbar war und dieser fehlende Nachweis zu ihren Lasten ging. Durch die Bundesratsinitiative der Freistaaten Thüringen und Sachsen soll eine politische Verfolgung durch die Unterbringungsanordnung leichter nachgewiesen werden können, wenn gleichzeitig mit der Heimunterbringung rechtsstaatswidrige, freiheitsentziehende Maßnahmen gegen die Eltern des Untergebrachten vollstreckt wurden. Die Regierungen Sachsens und Thüringens begrüßen es, dass die Bundesregierung daraufhin einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der die Ziele ihrer Initiative gesetzlich umsetzen und Anträge für Rehabilitierungsleistungen gänzlich entfristen soll.

Themenfeld Bekämpfung Rechtsextremismus und politische Kultur

Beide Landesregierungen sehen die stetige Zunahme rechtsextremistischer Großveranstaltungen mit Sorge. Im Zuge von Strategien zum Umgang mit Rechtsrockkonzerten und -veranstaltungen seien die vorhandenen Instrumente der Versammlungsbehörden unter Beachtung der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie des Grundrechtschutzes der Betroffenen so weit wie möglich auszuschöpfen, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Hierfür haben beide Länder u. a. Handlungsempfehlungen herausgegeben sowie fachliche Unterstützung geschaffen. Im polizeilichen Bereich sollen die taktischen Handlungsoptionen zur Unterbindung bzw. Verfolgung rechtwidriger Handlungen, insbesondere politisch motivierter Straftaten, weiterentwickelt und konsequent angewendet werden.

Die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols gegen „Reichsbürger“ war Gegenstand eines Gedankenaustauschs beider Kabinette. Sie verabredeten auf der Grundlage einer detaillierten Lagedarstellung, sich weiter anlassbezogen über die weitere Lageentwicklung sowie die sich hieraus ergebenden Maßnahmen auszutauschen.

Unter der Überschrift „Konzentriert gegen Hass im Netz“ verabredeten Thüringen und Sachsen, die Bekämpfung und Verfolgung sogenannter „Hasspostings“ als einen besonderen Handlungsschwerpunkt ihrer Sicherheitsbehörden zu definieren. Dessen ungeachtet gelte es, weiterhin eine zensurfreie Möglichkeit der freien Meinungsäußerung zu gewährleisten.

Themenfeld Zusammenarbeit

Die Thüringer Landesregierung und die Sächsische Staatsregierung bekräftigten in einem gemeinsamen Beschluss die enorme Bedeutung einer durchgehenden elektrischen Bahnverbindung auf der Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet, Hessen, Thüringen und Sachsen. Die Elektrifizierung der Strecke Weimar — Gera — Gößnitz ist eine Voraussetzung für das strategische Ziel, mittelfristig hochqualitative Leistungen des Schienenpersonenfernverkehrs zu ermöglichen. Durch die Realisierung des Projektes ergebe sich eine Vielzahl vielversprechender Möglichkeiten länderüberschreitender Eisenbahnverbindungen. Sachsen und Thüringen bitten daher die DB Netz AG, die Planungen zur Elektrifizierung mit Nachdruck und Transparenz durchzuführen und schnellstmöglich abzuschließen.

Die Weiterentwicklung der länderübergreifenden Tourismusdestination Vogtland, die insgesamt seit über vier Jahren durch einen länderübergreifenden Tourismusverband erfolgreich vermarktet wird und als Ganzes eine positive Bilanz aufweisen kann, ist beiden Landesregierungen ein wichtiges Anliegen. Sie werden zu diesem Zweck ihre Zusammenarbeit in diesem Bereich fortsetzen und intensivieren. Dazu zählt zum Beispiel die Begleitung der Akteure vor Ort bei der weiteren Entwicklung des Göltzschtalradweges. Darüber hinaus soll eine Erweiterung der Destination um das bayerische Vogtland geprüft werden.

In Bezug auf die Nachverhandlung der Generalverträge Altlastenpauschalierung mit dem Bund haben beide Länder ihren Willen bekräftigt, sich über die Finanzierung der ökologischen Altlasten auf fachlicher, rechtlicher sowie politischer Ebene auszutauschen und sich im Vorgehen gegenüber dem Bund in geeigneter Weise zu unterstützen. Hintergrund: Sowohl der Freistaat Thüringen (1999) als auch der Freistaat Sachsen (2008) haben mit der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) einen Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten, die vor der Wiedervereinigung entstanden sind, geschlossen. Zur Abgeltung des nach dem Verwaltungsabkommen Altlastenfinanzierung 1992/1995 vom Bund zu tragenden Anteils haben sie unter Zugrundelegung der erwarteten Sanierungskosten jeweils einen Pauschalbetrag erhalten. Sowohl Thüringen als auch Sachsen haben wegen Mehrausgaben von über 20 Prozent gegenüber den in ihren Verträgen angenommenen Gesamtkosten gegenüber dem Bund einen Nachverhandlungsanspruch mit dem Ziel einer erneuten Kostenbeteiligung des Bundes geltend gemacht.

In Bezug auf die Zusammenarbeit beider Freistaaten auf dem Gebiet des E-Government wurde in der gemeinsamen Kabinettssitzung ein regelmäßiger Austausch über aktuelle Entwicklungen und Projekte im Bereich der Digitalisierung der Verwaltung mit dem Ziel verabredet, Möglichkeiten der engeren Zusammenarbeit - auch mit Blick auf IT-Dienstleistungen für die Kommunen - auszuloten. Sachsen und Thüringen arbeiten in Teilbereichen der Digitalisierung der Verwaltung bereits zusammen. So ist Thüringen der auch von Sachsen geführten Entwicklergemeinschaft ePayBL beigetreten und nutzt derzeit das beim Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste (SID) betriebene System. Daneben bestehen verschiedene Kontakte im Bereich des Dokumentenmanagementsystems und der E-Rechnung.


Kontakt

Sächsische Staatsregierung

Regierungssprecher Ralph Schreiber
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