Verkehrswende soll bis 2025 vollzogen werden: Kopenhagen ein Vorbild für sächsische Städte

07.06.2019, 10:49 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Für Sachsens Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig und seine Wirtschaftsdelegation ging es am Mittwochabend von den Niederlanden weiter in die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Am Donnerstag stand zunächst ein Besuch des Technik- und Umweltamt der Stadt auf dem Programm.

Wie schafft es Kopenhagen, innerhalb von nur wenigen Jahren, sich von einer automobillastigen Industriestadt zu einer modernen fahrradfreundlichen Metropole zu wandeln? Unter dieser Hauptfrage verlief das Gespräch mit den Verkehrsexperten Kopenhagens. Bis zum Jahr 2025 will Kopenhagen CO2-neutral sein – dafür wird vor allem das Verkehrssystem grundlegend reformiert. 49 Prozent der Einwohner fahren bereits mit dem Fahrrad auf Arbeit – es sollen deutlich mehr werden. Um dies zu erreichen, werden Fahrspuren für Autos zu Gunsten von Radwegen gestrichen. Auch werden für Autos Durchfahrtssperren verhangen – für Radwege hingegen neue Brücken über die Kanäle der Stadt gebaut. Fußwege und Parks werden neu angelegt oder verbreitert – die Stadt soll so systematisch grüner und lebenswerter werden. Zudem soll der Recycling-Anteil von heute 35 Prozent auf 70 Prozent gesteigert werden. Die Energie soll schrittweise auf regenerative Formen umgestellt werden – riesige Offshore-Windkraftwerke werden dafür vor den Küsten Dänemarks errichtet.

Martin Dulig: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie in Kopenhagen bei der Städteplanung diese neue Ansätze verfolgt werden. Hier ist die Ausgangslage völlig anders als bei uns: Die Städte sehen sich als Treiber, reformieren ihre Verkehrssysteme aus eigenem Antrieb heraus. Städte wie Kopenhagen befördern die Reformen Dänemarks, indem sie selbst Tatsachen schaffen. Der Wille, die Stadt für Radfahrer umzugestalten, kam aus der Bürgerschaft – alle Parteien waren sich einig, dies zu unterstützen. Entsprechend konnten dann die Herausforderungen angegangen werden. Von diesem Konsens, Verständnis und der optimistischen Herangehensweise können wir uns im Freistaat Sachsen viel abschauen.“

Auf dem Fahrrad sah sich die Delegation anschließend selbst die Umsetzung vor Ort in der Stadt und entlang der Kanäle an. Was in Deutschland für Autos Alltag ist, ist in Dänemark für Fahrräder inzwischen selbstverständlich: Volle Radwege, kleine Staus, großer Andrang in den Fahrradstationen und Parkhäusern. Die Stadt will daher ihre Infrastruktur weiter ausbauen, plant zusätzliche Brücken und Schnellwege („Super Cycle Highways“) für Radfahrer. Dafür startete die Kommune eine Onlineumfrage via Facebook, wo die Bürger ihre Wünsche für eine bessere Infrastruktur konkret äußern konnten.

Zudem stand für die Delegation ein Besuch von Femern A/S auf dem Programm. Das Unternehmen ist als staatliche Projektgesellschaft verantwortlich für Planung und Bau des Tunnels der neuen Fehmarnbeltquerung zwischen Dänemark und Deutschland. Geschäftsführer Claus F. Baunkjaer berichtete über die Besonderheiten und die Herausforderungen bei einem grenzüberschreitenden 18-Kilometer-Projekt, die Zusammenarbeit mit Deutschland und der Deutschen Bahn, sowie wie es gelingt, breite Akzeptanz für solch ein Großprojekt in der Bevölkerung zu schaffen. Wirtschaftsminister Martin Dulig nahm viele Anregungen für das Großprojekt Dresden-Prag mit: „Die Fehmarnbeltquerung ist ein europäisches Generationenprojekt, dass Dänemark und Deutschland enger zusammenwachsen lässt. Sie sind von der EU in einen sogenannten TEN-Korridor eingeordnet worden, so wie wir mit unserer geplanten Neubaustrecke von Dresden nach Prag. Im Jahr 2008 wurde der Staatsvertrag unterschrieben, wohl kommendes Jahr soll der Bau beginnen. Es war spannend zu erfahren, wie die Abstimmungsprozesse verliefen, welche Probleme es im Vorfeld gab. Die Mentalitäten von Dänen und Deutschen scheinen sich arg zu unterscheiden. So gab es in Dänemark 1.600 eingereichte Vorschläge, davon 43 Beschwerden – inzwischen ist das Projekt akzeptiert. Auf deutscher Seite gab es 10.000 Beteiligungen, 3.100 Einsprüche und inzwischen sind 13 Klagen beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anhängig. Uns ging es deshalb darum, zu lernen, wie wir Verfahren beschleunigen und Fehler vermeiden können.“

Heute, am letzten Tag der Reise, besucht die Delegation das „Bloxhub“, in dem die nachhaltige urbane Entwicklung erforscht wird. Mit Vertretern der Metropolregion Kopenhagen/ Öresund wird darüber gesprochen, wie sich die Region seit Eröffnung der Öresundquerung entwickelt hat und welche Ansätze man bei der nachhaltigen grenzüberschreitenden Mobilität verfolgen möchte. Zum Abschluss der Reise stand schließlich das Thema Smart Tourism im Fokus. Bei einem Vortrag und einer kleinen Stadtführung werden die Möglichkeiten, welche die fortschreitende Digitalisierung dem Bereich Tourismus bietet, betrachtet und Erfahrungen ausgetauscht, welche Erwartungen Gäste an modernen, nachhaltigen Tourismus stellen.

Wirtschaftsminister Martin Dulig zur Bilanz der Reise: „Reisen bildet ja bekanntlich. Und genau das war das primäre Ziel unserer Reise. Wir haben sowohl in den Niederlanden als auch in Dänemark viel Neues erfahren und nehmen Anregungen mit zurück nach Sachsen. Auch in dem Wissen, dass man nicht alles 1:1 übertragen kann. Aber darum geht es nicht, wir wollen Anregungen, die wir nun im Land, in den Kommunen und in der Politik diskutieren können. Beide Länder sind ein Vorbild dafür, wie Mobilität in Zukunft aussehen kann und funktioniert. Dabei sind die Entwicklungen in Städten wie Amsterdam, Eindhoven, Utrecht oder Kopenhagen völlig verschieden, da sich die Ausgangslagen und infrastrukturellen Voraussetzungen unterscheiden. Aber eines eint alle: Sie haben keine Furcht davor, einen Wandel in der Mobilität zu vollziehen. Die Menschen in den Ländern unterstützen diesen Kurs, haben nach anfänglichen Bedenken die Vorteile der Verkehrswende erkannt und nutzen etwa das Fahrrad inzwischen völlig selbstverständlich. Wir reden häufig über den demographischen Wandel, Digitalisierung, Globalisierung. Aber wir müssen diese abstrakten Begriffe ganz praktisch erklären und aufzeigen, welche Möglichkeiten es für die Menschen künftig geben wird. Und klar ist auch: Wir müssen und werden innerhalb Europas stärker mit Regionen zusammenarbeiten, die die gleichen Themen, Herausforderungen und Strukturen haben wie wir.“

Hintergrund

Wirtschaftsminister Martin Dulig besucht bis Freitag die Niederlande und Dänemark. Begleitet wird er u.a. von Vertretern sächsischer Unternehmen, der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS), der Sächsischen Energieagentur SAENA GmbH und des Leibniz-Institutes für ökologische Raumentwicklung, Verkehrsunternehmen sowie vom Radverkehrsbeauftragten der Stadt Leipzig.

Hinweis für Redaktionen
Über die Auslandsreise von Minister Dulig berichten wir kontinuierlich auf unserer Internetseite www.smwa.sachsen.de/264.htm.
Auf Anfrage stellen wir Medienvertretern Fotos für die Veröffentlichungen gern kostenfrei zur Verfügung. Fotos und Informationen finden Sie auch auf unserer Facebook-Seite (www.facebook.com/smwa.sachsen) und auf unserem Twitter-Account (www.twitter.com/SMWA_SN).


Kontakt

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