Ökologisches Großprojekt Böhlen

22.07.2015, 10:06 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Zur Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung vom 22. Juli, zur angekündigten Berichterstattung in der Sendung „exakt“ des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) am 22. Juli 2015 sowie zu den im Raum stehenden Vorwürfen über die Altlastensanierung beim Ökologischen Großprojekt Böhlen (ÖGP Böhlen) stellt das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) fest:

Seit 1991 wurden im Freistaat Sachsen Altlasten auf rund 9 000 Hektar Fläche saniert. Rund 750 Millionen Euro allein aus staatlichen Mitteln wurden bisher dafür eingesetzt.

Das ÖGP Böhlen befindet sich an einem aktiven Wirtschaftsstandort der Chemieindustrie im komplexen Umfeld von Bergbaufolgelandschaften und aktivem Bergbau. Die großflächige Belastung von Boden und Grundwasser durch Kohlenwasserstoffe, Ablagerungen mit Kohle- und Ascheschlämmen, Teerresten sowie weiteren Sonderabfällen auf einer Fläche von etwa 150 Hektar stammt aus dem Betrieb der seit 1920 betriebenen karbo- und petrochemischen Industrie, wurde insbesondere aber auch in Folge der Bombardierung des Werkes im Zweiten Weltkrieg freigesetzt. Das Ausmaß der Belastungen einerseits und die Durchführung der Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen bei laufender Produktion andererseits machen deutlich, dass es sich hier um einen sehr komplexen, schwierigen und umfangreichen Altlastenfall handelt.

Wegen der Größe der Grundwasserschäden und wegen des noch vorhandenen Potentials des Bodens, weitere Schadstoffe in das Grundwasser freizusetzen, ist eine kurzfristige Sanierung des Grundwassers am ÖGP Böhlen nicht zu erwarten. Die Arbeiten konzentrieren sich daher unter Beachtung des im Bundesbodenschutzgesetz (§ 4 BBodSchG) angelegten Verhältnismäßigkeitsmaßstabes auf folgende Schwerpunkte:

• Beseitigung von oberflächennaher Bodenkontaminierung im Zuge von Bauarbeiten,
• Abschöpfung mobiler Ölphasen auf dem Grundwasser,
• Minderung der Grundwasserneubildung,
• Sicherungsmaßnahmen für das abströmende Grundwasser, um eine Ausbreitung zu verhindern, die Schutzgüter gefährden könnte (Bsp. Trinkwasserversorgung).

Auch diese Form der Sicherung und teilweisen Sanierung wird bereits Kosten im hohen achtstelligen Bereich verursachen. Eine vollständige Beseitigung der Schadstoffe aus dem Boden und dem Grundwasser ist schlicht weder finanzierbar noch leistbar, die Forderung danach ist unverhältnismäßig.

Zu den Vorwürfen im Einzelnen:

1. Seit 2008 verzögert sich die dringend notwendige Sicherung der Grundwasser-Altlast auf dem Gelände des ÖGP Böhlen.

Bereits in den Jahren vor 2008 wurden umfangreiche Maßnahmen des Bodenaustausches, der Abschöpfung mobiller Schadstoffe – wo erreichbar – sowie Maßnahmen zur Grundwasserneubildung durchgeführt. Dabei wurden auch Möglichkeiten der umfassenden Sicherung des vorhandenen Grundwassers erwogen. Seit 2008 wird die der Tagebaukante des Tagebaus Peres und dem später entstehenden See zuströmende Grundwasserfahne vor weiterer Ausbreitung durch einen Sperrriegel mittels horizontaler Drainage geschützt. Die Anlage läuft erfolgreich. Gleichzeitig wird in den Hauptschadherden auf dem Werksgelände hoch schadstoffbelastetes Grundwasser gehoben und gereinigt, so dass dadurch die abströmende Grundwasserfahne verdünnt wird und die Reinigungsaufwendungen an der Horizontaldrainage sinken. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist im Gange. Von einer Verzögerung kann daher nicht die Rede sein.

2. Kontaminiertes Grundwasser breitet sich aus und verseucht das angrenzende Vattenfall-Gelände, das mit Steuergeldern schon aufwändig saniert wurde.

Das sanierte Vattenfall-Gelände wird durch das kontaminierte Grundwasser nicht verseucht. Die Sanierung des Bodens erfolgte dort lediglich im oberflächennahen Bereich im Zuge von Bebauung bis zur Tiefe der Fundamente. Die Annahme, bei Bodenaushub im Zuge von Baumaßnahmen würde der darunter liegende Bereich bis hin zum Erdmittelpunkt mitsaniert, ist naiv. Die heute eintretende Ausbreitung im Grundwasser findet in tiefer gelegenen Bodenschichten statt. Insofern kann von einer „Verseuchung des zuvor sanierten Geländes“ keine Rede sein.

3. Die Entscheidung des Freistaates, das Projektcontrolling an einen privaten Dritten zu übertragen, war falsch.

Das SMUL ist nach der Sächsischen Haushaltsordnung (SäHO) verpflichtet, für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Dabei ist zu prüfen, ob durch private Dritte oder deren Heranziehung die Tätigkeit bei gleicher Leistung kostengünstiger oder bei gleichen Kosten besser erledigt werden kann. Im Ergebnis dieser Prüfung hat das SMUL die Grundsatzentscheidung getroffen, einen privaten Dritten mit dem fachlichen und finanztechnischen Controlling zu beauftragen. Die Vorteile der Beauftragung eines privaten Projektcontrollers liegen u.a. in der Effizienz, die sich durch Nutzung von Know-how des freien Marktes ergibt. Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität bei der Abarbeitung der zeitlich befristeten und im Umfang schwankenden Aufgabe ohne dafür zusätzliche Behördenstrukturen mit dauerhaft vorhandenem Personal schaffen zu müssen.

4. Die Ingenieurbüros der ARGE AFC Sachsen beauftragen und kontrollieren sich quasi selbst, indem sie Gutachten mit Sanierungskonzepten erstellen und gleichzeitig das Finanzcontrolling ausüben.

Grundsätzlich haben sich die Unternehmen der ARGE AFC Sachsen verpflichtet, während der Laufzeit ihres Geschäftsbesorgungsvertrages ohne Zustimmung des Freistaates Sachsen als Auftraggeber keine Aufträge von Freigestellten anzunehmen, wenn dies zu einer Interessenkollision führen könnte. In Einzelfällen, in denen keine Interessenkonflikte vorlagen, wurde durch den Freistaat Sachsen eine solche Zustimmung erteilt. Soweit in einem solchen Fall ein Unternehmen der ARGE für einen Freigestellten einen Auftrag ausführt, ist es vom Controlling für diesen Auftrag ausgeschlossen

5. Bei seinem Umgang mit den Altlasten des ÖGP Böhlen verletzt der Freistaat Sachsen das Bodenschutzrecht, indem bisher nicht kontaminierter Boden dem kontaminierten Grundwasser ausgesetzt wird. Das ist verboten.

Das Bundesbodenschutzrecht verlangt bei Altlasten keine Sanierung um jeden Preis. Es schreibt eine Dekontaminierung vor, wenn dies mit verhältnismäßigen Mitteln möglich ist. Soweit dies nicht möglich ist, kommen auch eine reine Sicherung der Altlast oder sogar eine Beschränkung anderer Nutzungen in Frage. Welche Sanierungs-, Sicherungs- oder Beschränkungsmaßnahme im Einzelfall geboten und daher durchzuführen ist, entscheidet die zuständige Bodenschutzbehörde unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

6. Das abströmende kontaminierte Grundwasser verseucht Agrarflächen.

Agrarflächen werden nicht versucht. Landwirte nutzen oberflächennahe Bodenschichten. Das kontaminierte Grundwasser befindet sich deutlich unterhalb dieser Bodenschichten. Die landwirtschaftlichen Flächen sind ungefährdet.

7. Sparsamkeit verhindert eine ordentliche Sanierung. Sachsen hat mit dem Bund schlechter über die Mittel zur Altlastensanierung verhandelt als Sachsen-Anhalt und hat daher heute zu wenig Geld.

Sachsen hat das verhandelt, was aus sächsischer Sicht mit dem Bund zu verhandeln war. Für eine angemessene verhältnismäßige Altlastensanierung steht in Sachsen ausreichend Geld zur Verfügung.


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

Pressesprecher Robert Schimke
Telefon: +49 351 564 20040
Telefax: +49 351 564 20007
E-Mail: robert.schimke@smekul.sachsen.de

Themen

zurück zum Seitenanfang