Dirk Panter: "Von Krisen zu Chancen: Wie wir Sachsens Wirtschaft heute stärken und für die Zukunft aufstellen!"
21.05.2025, 10:19 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
13. Sitzung des 8. Sächsischen Landtages: Fachregierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
heute vor zwei Wochen war ich in Böhlen, bei DOW. Der Chemiegigant aus den USA hat Ende April angekündigt, dass er den Weiterbetrieb des dortigen Crackers in Frage stellt. Mehrere hundert Arbeitsplätze sind dadurch akut gefährdet.
Und ich kann Ihnen sagen, es ging mir sehr nahe, bei der Betriebsversammlung in die Augen der Kolleginnen und Kollegen zu blicken und ihnen anzusehen, dass sie um ihre Jobs und ihre Zukunft bangen. Die Gespräche gingen unter die Haut.
Ähnlich geht es momentan auch anderen Kolleginnen und Kollegen in Sachsen – sei es bei Bosch in Sebnitz, bei Heiterblick in Leipzig, im Bremsenwerk der Deutschen Bahn in Delitzsch oder anderswo.
Ich hatte in den vergangenen Monaten auch bittere Gespräche mit den Betriebsräten und vor allem den Beschäftigten bei VW und der Zulieferindustrie.
Ministerpräsident Michael Kretschmer und ich haben gemeinsam in unzähligen Gesprächen versucht, zu helfen und für den Standort Sachsen zu werben. Im Gespräch mit VW-Chef Oliver Blume haben wir mehr als einmal deutlich gemacht, dass wir um jeden VW-Arbeitsplatz in Sachsen kämpfen werden.
Um es ganz klar zu sagen: Die Sächsische Staatsregierung steht fest an der Seite der Unternehmen und der Beschäftigten in Sachsen.
Wir unterstützen, wo wir können, wenn es um den Erhalt und auch die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft geht. Deshalb auch ein großer Dank an die Geschäftsführungen und die Betriebsräte für deren Engagement!
Anrede,
es ist völlig klar: die deutsche, die sächsische Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Situation.
Die Wirtschaftsleistung ist in Sachsen im vierten Quartal 2024 um 1,8 Prozent gesunken und wir haben im vergangenen Jahr im Saldo 6.000 Industriearbeitsplätze in Sachsen verloren. Das ist die bittere Realität.
Am selben Tag, an dem ich bei DOW war, war ich auch in Großröhrsdorf. Dort hat einer der Weltmarktführer für Gebäudeautomation, die Belimo AG aus der Schweiz, ihr neues Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet. Überall nur strahlende Gesichter. Kein Wunder bei der beeindruckenden Erfolgsgeschichte der letzten Jahre! Und ein krasser Kontrast zur Situation bei DOW.
Vor drei Wochen wurde in Schkeuditz der Grundstein für die neue Endmontage-Linie der Deutsche Aircraft gelegt: 100 Mio. Euro werden dort investiert.
Nach über 60 Jahren werden wieder Flugzeuge in Ostdeutschland gebaut. Und wo? In Sachsen!
Gleichzeitig wächst die Baustelle von Beiersdorf in Leipzig an der A14. Und wer auf der A4 an Dresden vorbeifährt, sieht die drehenden Kräne auf der Großbaustelle von ESMC.
Auch die Erweiterungen bei Infineon, Bosch oder GlobalFoundries nehmen Fahrt auf.
Momentan arbeiten gut 80.000 Beschäftigte in allen Regionen Sachsens in der Digitalwirtschaft. Die Prognose sind 100.000 Beschäftigte im Jahr 2030.
Das in einem Cluster von kleinen, mittleren und großen Unternehmen, von Startups und Scaleups, von Dienstleistern und Zulieferern. In enger Zusammenarbeit mit Forschung und Entwicklung. Wir sind jetzt schon die Nr. 1 in dem Bereich in Europa – damit haben wir auch eine Verpflichtung.
Anrede,
wir haben auch knapp 50 »Hidden Champions« in Sachsen, also Weltmarktführer in den unterschiedlichsten Branchen. Das sind alles unglaubliche Erfolgsgeschichten, denn manche starteten vor 30 Jahren sprichwörtlich aus dem Nichts in einer Garage und haben heute 1000 Beschäftigte weltweit, wie z.B. die DAS GmbH aus Dresden.
Über solche Erfolgsgeschichten könnte man noch mehr erzählen, aber wir dürfen uns damit auch nichts vormachen.
Natürlich stehen unzählige sächsische Unternehmen aus allen Bereichen aktuell unter Druck. Und in Sachsen sind das natürlich nicht nur die großen Unternehmen, sondern die vielen kleinen, die das Herz der sächsischen Wirtschaft ausmachen.
Es ist unsere und meine vorderste Aufgabe, die Unternehmen und die regionale Wirtschaft dabei zu unterstützen, wieder in die Erfolgsspur zu kommen.
Dabei dürfen wir nicht vergessen: der Erfolg des deutschen Wirtschaftsmodells basiert auch auf der gelebten Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmen und ihren Beschäftigten. Betriebsräte spielen dabei eine zentrale Rolle.
Alle Beispiele zeigen: Unternehmen, in denen die Sozialpartnerschaft funktioniert, kommen besser durch Krisen.
Und deshalb: in der Krise ist es wichtiger denn je, dass die Sozialpartner an einem Strang ziehen und gemeinsam an der Zukunft der sächsischen Wirtschaft arbeiten.
Ich habe in den letzten Wochen auch viele Gespräche mit der Chemieindustrie und der Stahlbranche geführt.
Die Stimmung dort ist eindeutig:
Sie stellen sich den Herausforderungen.
Sie wollen investieren.
Sie stellen auch nicht die Energiewende in Frage.
Ganz im Gegenteil: Diesen Unternehmen ist klar, sie müssen sich den Gegebenheiten des globalen Marktes anpassen.
Bei Feralpi in Riesa wurde das besonders deutlich:
220 Millionen Euro hat Feralpi dort in die Produktion von grünem Stahl investiert. Eine beeindruckende Anlage auf dem allerneuesten Stand. Es ist das erste emissionsfreie Walzwerk in Deutschland. Und es steht in Sachsen! Damit gibt Feralpi ein klares Bekenntnis ab für die Industrie des 21. Jahrhunderts.
Wer die mehrere hundert Meter lange Anlage sieht und die Hitze spürt, der fühlt, wie Dekarbonisierung, Industriearbeit und Sachsen zusammenpassen!
Und auch wenn ich einige im Raum enttäuschen muss: unsere Unternehmen wollen nicht mehr zurück in eine vermeintlich gute alte Zeit, die es nie gab.
Es kann aber auch nicht sein, dass die Stahlunternehmen ihre Produktion momentan nach dem Wetterbericht ausrichten müssen.
Wenn die Sonne scheint, wird produziert, weil der Strom gerade billig ist – und wenn nicht, dann steht im Zweifel die Produktion still.
Da passt einfach momentan vieles nicht zusammen.
Seien es die hohen und schwankenden Energiepreise.
Der schleppende Netzausbau.
Oder die überbordende Bürokratie.
Die Erwartung an die Politik – an uns – ist deshalb klar: Die Rahmenbedingungen und die Zielsetzungen müssen wieder stimmen und pragmatisch angepasst werden.
Damit die Unternehmen sich auf die klimaneutrale Produktion umstellen können.
Denn was bringen uns die besten Ziele, wenn es keine Unternehmen mehr gibt, die sie erreichen können!
Deshalb waren sich alle Gesprächspartner einig:
Nicht mehr lamentieren, sondern machen!
Es braucht schnell konkrete Signale.
Es braucht schnell konkrete Antworten.
Z.B. die Strompreise für Unternehmen schnell senken. Der Bundeskanzler hat das in seiner Regierungserklärung gerade angekündigt – und wir nehmen ihn beim Wort.
Was in Berlin und auch bei uns passiert, macht mich optimistisch.
Und wenn man sich umschaut: Die Stimmung wird langsam besser.
Das ist nicht im Sinne der Scharfmacher und Schlechtredner. Aber es ist im Sinne unseres Landes und unserer Beschäftigten.
Diese ersten Entscheidungen in Berlin werden aber nicht reichen. Um langfristig wieder in die Erfolgsspur zu kommen, müssen wir uns als Land auch mit den grundlegenden Ursachen für den aktuellen Zustand unserer Wirtschaft beschäftigen.
Die Rahmenbedingungen
Anrede,
gewiss wird jetzt in einigen Köpfen wieder das Lied des Ampel-Bashings gespielt. Doch dieses Lied ist ausgespielt.
So einfach ist das nämlich nicht. Als ob die jetzige Situation der deutschen Wirtschaft von einer Regierung in 3 Jahren allein herbeigeführt worden wäre.
Ja, die Ampel hat auch Fehler gemacht.
Die Probleme, die wir heute haben, sind aber noch grundlegender. Die Welt um uns herum verändert sich rasant.
Anrede,
die Grundlage für unseren Wohlstand, für unsere Wirtschaft und für gute Arbeit in Sachsen basierte über Jahrzehnte auf verschiedenen Säulen:
Säule 1: auf günstiger Energie aus dem Osten
Säule 2: auf Sicherheit aus dem Westen
Säule 3: auf Freihandel in der Welt
Säule 4: auf schier unendlichen Absatzmärkten in Fernost, v.a. China
Säule 5: auf unserem Ruf »Made in Germany«
Säule 6: auf unseren exzellenten Fachkräften
Wir haben uns daran gewöhnt, dass diese Säulen einfach immer funktionieren. Diese Gewissheit gibt es aber nicht mehr.
Im Gegenteil, in den letzten Jahren sind diese Säulen bedrohlich ins Wanken geraten oder gar weggebrochen.
Günstige Energie aus dem Osten gibt es nicht mehr.
Und es ist gut, dass wir nicht mehr abhängig sind von Russland.
Auch die Sicherheitsgarantien der USA sind Geschichte. Wir müssen für unsere Sicherheit in Zukunft selbst sorgen.
Selbst der Freihandel, auf den wir uns über Jahrzehnte verlassen konnten, ist unter Druck.
Wir alle haben durch die Zolldiskussionen der letzten Wochen schmerzlich erlebt, wie verletzbar unser Wirtschafts- und Exportmodell ist.
Wir können von Glück reden, dass wir die Europäische Union und die Verlässlichkeit des europäischen Binnenmarktes haben.
Anrede,
worauf wir nach wie vorbauen können, ist die technologische Exzellenz unserer Wirtschaft.
Unsere Unternehmen und unsere Produkte genießen weltweit einen ganz hervorragenden Ruf, weil wir technologisch führend und mit herausragender Qualität produzieren.
Daran müssen wir stetig arbeiten, denn alle wissen: wer nicht Schritt hält, wird überholt.
Den technologischen Vorsprung müssen wir uns bewahren, genauso wie wir unsere unglaublich gut ausgebildeten und erfahrenen Fachkräfte hegen und pflegen sollten.
Die Qualifikation und das Können der Kolleginnen und Kollegen bei uns in Sachsen ist durch nichts zu ersetzen.
Wussten Sie, dass das VW-Motorenwerk in Chemnitz eines der produktivsten Werke von VW ist, weltweit?
Das Werk hat letztes Jahr mit knapp 2000 Beschäftigten 50 Prozent des weltweiten Gewinns der Sparte beigetragen. Während andere Standorte in Deutschland defizitär waren.
Woran liegt das?
An den exzellenten Fachkräften! Wenn man mit Fachleuten von VW spricht, dann sagen die: in Chemnitz treiben Facharbeiter Entwicklungen voran, für die man anderswo Ingenieure braucht.
Darauf können die Kolleginnen und Kollegen zu Recht stolz sein.
Auch anderswo gilt das: Ein Gewerkschaftssekretär sagte mir: Das Werk von GlobalFoundries in Dresden habe die höchste Produktivität aller Werke weltweit.
Denn wir in Sachsen wissen, was harte Arbeit ist, und wir wollen unseren Beitrag leisten. Dafür braucht es auch die notwendige Anerkennung. In Form von guten Löhnen, am besten Tariflöhnen. In Form von guter Arbeit und Respekt.
Anrede,
aber auch bei den Fachkräften schlägt die Demografie zu – und die lässt sich nicht austricksen.
Selbst wenn aktuell manche Arbeitsplätze bedroht sind, so bleibt doch eines der größten Probleme des Freistaats der Arbeits- und Fachkräftemangel.
Deshalb soll sich niemand täuschen lassen. Während wir um den Erhalt von Arbeitsplätzen kämpfen, müssen wir alle Register ziehen, um mehr Arbeits- und Fachkräfte in Sachsen auszubilden.
Dabei geht es mir um die zu vielen jungen Leute die nicht erfolgreich qualifiziert werden. Und wir müssen mehr Fachkräfte nach Sachsen holen, sie binden und in Arbeit bringen.
Denn nur so können wir unseren Wohlstand erhalten.
Deshalb kann ich es immer nur wiederholen: Es ist ein Wahnsinn, Leute abzuschieben, die arbeiten oder in Ausbildung sind. Das Grundprinzip muss heißen: Wer hier arbeitet, kann auch hierbleiben.
Anrede,
die Lage ist schwierig, da sind wir uns sicher einig. Nicht alles, was nötig ist, können wir als Landesregierung auf den Weg bringen: Vieles ist davon abhängig, wie und wie schnell Europa und die neue Bundesregierung handeln.
Es reicht aber nicht aus, nur mit dem Finger auf Berlin oder Brüssel zu zeigen. Wir müssen auch in Sachsen handeln.
Unsere Aufgabe ist es, alles zu tun, um unsere wirtschaftliche Basis und unseren Wohlstand zu sichern – auch in 10/15 Jahren!
Natürlich wird es unsere und meine vorderste Aufgabe sein, die Unternehmen und die regionale Wirtschaft genau dabei zu unterstützen:
Dafür braucht man Ziele und eine auf diese Ziele ausgerichtete Strategie für Sachsen:
Dafür müssen wir strategisch fokussiert unsere Chancen nutzen, um
- Unternehmen zu halten,
- Unternehmen zu gründen,
- Unternehmen Wachstum zu ermöglichen
- und weitere internationale Unternehmen anzuziehen.
Damit Sachsen eines der drei wachstumsstärksten Bundesländer wird.
Anrede,
das ist unser Anspruch. Realistische Ziele setzen, kluge Strategien entwerfen und sie konsequent verfolgen.
Und dafür müssen wir selbst unseren Beitrag leisten.
Ich will deshalb noch einige Impulse für Sachsen geben, wie Lösungen aussehen können:
Lösungen
LÖSUNG 1: Arbeitsplätze
Der wichtigste Punkt ist: Was müssen wir tun, um Arbeitsplätze in Sachsen zu sichern und neue Möglichkeiten zu erschließen?
Dafür gibt es unterschiedliche Lösungswege, der erste muss in meinen Augen jetzt ganz klar sein:
Investieren, investieren, investieren!
Und das wird nicht nur auf Bundesebene passieren. Durch die gut 390 Millionen Euro pro Jahr aus dem Sondervermögen können wir auch in Sachsen handeln.
Ich bin froh, dass wir trotz unserer schwierigen Haushaltslage jetzt hoffentlich und endlich die Idee des Sachsenfonds umsetzen können – so wie ich es schon seit Jahren immer wieder einfordere.
- Um Krankenhäuser, DDR-Brücken und Schulen zu sanieren,
- Glasfasernetze auszubauen und die Digitalisierung voranzutreiben
- oder um in die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft zu investieren, damit wir den Anschluss nicht verlieren.
Zwangsläufig muss ich da von Künstlicher Intelligenz sprechen. Wir können uns heute noch nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie KI unser Leben verändern wird.
Diese Entwicklung darf nicht an uns vorbeigehen.
Denn der Zugang zu den neuesten Technologien und zur Forschung ist wichtig für unsere Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Weil wir davon leben, dass unsere Weltmarktführer und unser Mittelstand immer einen technologischen Vorsprung haben.
Neben dem Bereich KI wird die Musik in Zukunft auch in der Robotik und der Automatisierung spielen.
Auch deshalb haben wir jüngst den Startschuss für das Innovationscluster »Robotics Saxony» in Chemnitz gegeben.
Neben dem Sachsenfonds und Technologie-Investitionen braucht es für die Weiterentwicklung der sächsischen Wirtschaft noch andere Voraussetzungen.
Eine wichtige davon ist z.B. Größenwachstum!
Wenn wir als Freistaat auch international vorne mitspielen wollen, dann benötigen wir Unternehmen, die von ihrer Größe her dazu in der Lage sind. Die Realität ist: 97 Prozent unserer Unternehmen haben weniger als 50 Beschäftigte.
Das zeigt unser Dilemma: wir verfügen über viele kleine und innovative Unternehmen, aber nur über wenige Unternehmen, die im Bereich des klassischen Mittelstands agieren. Gleichzeitig stehen enorm viele Nachfolgefragen in den nächsten Jahren an.
Um dieses Problem aus eigener Kraft zu lösen, haben sächsische Unternehmen und Kammern den Vorschlag zur Gründung einer Zukunftsstiftung vorgelegt. Ziel ist es, ähnlich wie das Vorbild der Ruhrkohle AG Stiftung, in die regionale Wirtschaft zu investieren und sie bei ihrer Entwicklung zu begleiten.
Ich finde diesen Vorschlag sehr bedenkenswert und freue mich auf den weiteren Austausch dazu. Mit dem gemeinsamen Ziel, die sächsische Wirtschaft voranzubringen, bin ich sicher, werden wir eine Lösung finden.
Anrede,
u.a. mit den Beispielen, die ich eben genannt habe, wollen wir die Zukunft der sächsischen Wirtschaft sichern. Natürlich leben wir aber im Hier und Jetzt.
Während die Automobilindustrie in Südwestsachsen mit den Entscheidungen von VW hadert, tun wir alles, um die Arbeitsplätze in der Produktion von VW und bei den Zulieferern zu sichern.
Es ist aber absehbar, dass es schwierig wird. Deshalb müssen wir parallel nach links und rechts schauen und die Chancen nutzen, die sich ergeben.
Das gilt in meinen Augen auch für die Rüstungs- und Sicherheitstechnik.
Natürlich kann man Rüstung kritisch sehen.
Ich erinnere an die Reflexe, als der Rüstungskonzern Rheinmetall darüber nachdachte, eine Fabrik in Großenhain zu errichten.
Aber ich sage: Es werden dreistellige Milliardenbeträge in die Sicherheit fließen – sollen diese Gelder wirklich alle in andere Bundesländer gehen? Wollen wir das?
Es gab eine ähnliche Debatte um Rüstungsaufträge in Mecklenburg-Vorpommern – mit anderem Ausgang: Das Überleben der Werft in Wolgast war davon abhängig, ob man U-Boote oder andere Militärschiffe baut – und das passiert jetzt.
Genauso in Görlitz. Natürlich ist der Waggonbau in Görlitz tief verwurzelt. 170 Jahre Tradition sind kein Pappenstiel. Trotzdem war Alstom nicht bereit, den Fertigungsstandort weiter aufrecht zu erhalten.
Dass KNDS den Standort von Alstom übernommen hat und damit gut bezahlte Industriearbeitsplätze in Görlitz erhält, ist ein Segen! Das ist im Schulterschluss gelungen zwischen Unternehmen, Betriebsrat, IG Metall, der Stadt, dem Land und dem Bund. Vielen Dank nochmal dafür!
Und auch deshalb werde ich mich vehement dafür einsetzen, dass wir Investitionen in die Rüstung auch nach Sachsen holen. In die Industrie, in den Mittelstand und auch in Start-ups.
LÖSUNG 2: Wirtschaft & Energie
Anrede,
es braucht auch weitere Lösungen:
Am Umbau unserer Wirtschaft hin zu Klimaneutralität wird kein Weg vorbeiführen.
Und zwar nicht als Selbstzweck, sondern aus wirtschaftlicher Vernunft!
Denn die Wirtschaft will den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Immer mehr führende sächsische Unternehmen richten einen fortwährenden Appell an die Staatsregierung. Sie fordern einen entschlossenen Ausbau der Erneuerbaren.
Natürlich fordert uns die Umstellung unserer Energieversorgung auf mehr Unabhängigkeit gerade sehr viel ab. Energie ist aktuell immer noch zu teuer.
Deshalb setzen wir die bisherige Ausbaulinie fort. Aber pragmatisch und mit Augenmaß. Wenn die Realität andere Ergebnisse zeigt als die Planung, dann sollte man die Planung an die Realität anpassen. Bei Energiepreisen, beim Netzausbau – und auch bei den Flächenzielen.
Wenn die Planungsverbände es nachweislich nicht schaffen, das durch den Freistaat selbst gesetzte Flächenziel für Windkraft bis 2027 zu erreichen und der Bund selbst seine Ziele evaluieren wird, dann ist Pragmatismus das Gebot der Stunde.
Doch das darf kein Rückschritt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sein.
Darum habe ich mich in den letzten Wochen sehr vehement dafür eingesetzt, dass wir im Rahmen der Anpassung auch noch weitere Punkte ändern. Mit dem Ziel der Flexibilität und dem Ziel, Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Denn wer die Energiewende mitträgt, soll auch etwas davon haben. Umso konkreter, umso besser. Sei es direkt oder über Bürger-Energiegesellschaften.
Damit wir an unserem Ziel festhalten können: Wir wollen die Menschen und die Wirtschaft zukünftig mit sicherer, günstiger und klimafreundlicher Energie versorgen.
Auf dem Weg ist die Versorgungssicherheit natürlich das Gebot der Stunde. Der Ausbau von Wind und PV ist richtig.
Schnell regulierbare Gaskraftwerke werden dabei in Zukunft genauso helfen wie Stromspeicher. Wir müssen sicherstellen, dass diese Lösungen auch in Sachsen gebaut werden – und nicht nur im Süden. Am besten an Standorten, an denen die Netzinfrastruktur schon vorhanden ist. Dafür setzen wir uns ein.
Und nicht zu vergessen: Energie ist nicht nur Strom, 50 Prozent sind bekanntermaßen Wärme. Die Wärmewende ist eine wichtige Aufgabe. Dafür brauchen Kommunen und Stadtwerke Klarheit und eine verlässliche Perspektive. Auch da gilt es pragmatisch und wirtschaftlich voranzugehen, an der Seite der Kommunen und der Stadtwerke.
In meinen Augen gibt es noch einen weiteren Aspekt, der dafürspricht, die Energiewende als Chance zu begreifen: unser sächsisches Handwerk.
Denn unsere im SMWA durchgeführte Handwerksstudie hat gezeigt: Man muss gar kein Kämpfer für Klimaschutz sein. Es reicht aus, unternehmerisch zu denken und pragmatisch mit der Lage umzugehen:
Sich auf neue Geschäftsfelder einlassen, Chancen nutzen und Geld damit verdienen:
Das alles geht ganz ohne Kulturkampf.
Denn es ist doch völlig klar: ohne die Handwerksbetriebe wird keine Energiewende funktionieren. Das Handwerk ist nicht nur dort die Schlüsselbranche in der Umsetzung.
Es baut und installiert. Es berät. Und es findet Lösungen.
Und deshalb werden wir das Handwerk weiter unterstützen. Dem Meisterbonus haben wir trotz Haushaltsnotlage Priorität eingeräumt. Und die Gleichwertigkeit von Ausbildung und Studium wollen wir stetig verbessern.
LÖSUNG 3: Bürokratie
Anrede,
Lösungen brauchen wir auch im Bereich der Bürokratie: was man allerorten hört, ist: wir sind zu langsam und zu kompliziert. Die Bürokratie lähmt uns, die Wirtschaft ächzt, die Bürger sind genervt.
Wir haben hier absolut kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.
Das bedeutet für uns als Freistaat: auch wir müssen endlich Herangehensweisen grundlegend ändern. Damit meine ich alle Ebenen, die Staatsregierung, die Ministerien, die Landesämter und die Behörden.
Und das nicht mit der Kettensäge. Sondern gemeinsam, pragmatisch und mit gesundem Menschenverstand.
Bestandsdenken und »weiter so« oder »immer so gemacht« helfen uns da nicht!
Um es an einem Beispiel greifbarer zu machen:
Der Freistaat Sachsen hat in der Corona-Pandemie 750 Millionen Euro Darlehen für Unternehmen vergeben, um ihnen durch die schwere Zeit zu helfen.
Diese Darlehen wurden damals mit Erfolg über Nacht aus dem Boden gestampft, um schnell und unbürokratisch zu helfen.
Fast 17.000 dieser Darlehen sind noch offen und werden momentan regelmäßig zurückbezahlt – und das soll auch so bleiben.
Auf die aktuell noch notwendige Verwendungsnachweisprüfung für jedes einzelne Darlehen wollen wir aber im Sinne der Unternehmen gerne verzichten.
Um Aufwand für die Unternehmen und die SAB zu sparen, um unnötigen Ärger zu vermeiden und viele Millionen Aufwand zu sparen. Daran arbeiten wir.
Darüber hinaus vereinfachen und digitalisieren wir unsere Förderprogramme kontinuierlich – auch und gerade jetzt, wo wir aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung leider gar nicht fördern können. Dabei zeigt sich, dass wir den Aufwand für Unternehmen aber auch die SAB um 40 bis 60 Prozent reduzieren können – schon in einem ersten Schritt.
Lassen Sie uns daran und an anderen Beispielen konkret beweisen, dass wir es gemeinsam können. Und dass sich die Welt danach immer noch dreht!
LÖSUNG 4: Gemeinsam
Anrede,
ich habe die Lage der sächsischen Wirtschaft mit den vielen Herausforderungen aber auch den vielen Chancen kurz beschrieben. Und ich habe einige Lösungswege und Kernpunkte skizziert.
Eine einzelne Fachregierungserklärung kann dieses komplexe Feld, das sich sächsische Wirtschafts- und Arbeitswelt nennt, aber nur in Teilen beschreiben.
Es ist für mich deshalb völlig klar, dass uns am Ende die Weiterentwicklung der sächsischen Wirtschaft nur gemeinsam gelingen kann.
Deshalb formuliere ich als Wirtschaftsminister ein Angebot:
Ich möchte die unterschiedlichen Akteure nach Beschluss des Haushaltes einladen, um gemeinsam über die Zukunft der sächsischen Wirtschaft zu sprechen. Mit den Kammern, den Gewerkschaften und den Verbänden.
Nach der Sommerpause soll ein solcher gemeinsamer Termin der Auftakt für kontinuierliche Gespräche sein.
Gemeinsam will ich mutig neue Wege gehen. Unser Ziel muss eine Wirtschaftsstrategie sein, die bei allem Pragmatismus die großen Aufgaben nicht scheut.
Eine gemeinsame Strategie, die an die Innovationskraft und den Ideenreichtum der sächsischen Wirtschaft glaubt - und die aus dem politischen Raum Unterstützung findet.
Eine gemeinsame Strategie, die die Interessen der Wirtschaft, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer und die zukünftigen Lebensgrundlagen in unserem Freistaat zusammendenkt.
Damit wir die Herausforderungen der nächsten Jahre nicht nur meistern, sondern auch die sächsische Wirtschaft dorthin führen, wo sie hingehört: an die Spitze.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten. Glück auf!