Bedeutendes Werk der Breslauer Moderne bleibt nach Restitution im Schlesischen Museum zu Görlitz
04.02.2025, 13:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Gemeinsame Pressemitteilung
Ein Gemälde aus dem Bestand des Schlesischen Museums wurde als Werk identifiziert, das der Kunstsammler Otto Wachenheim bei seiner Flucht vor der NS-Verfolgung zurücklassen musste. Nun wird es an die rechtmäßigen Erbinnen und Erben restituiert, bleibt aber dank des vom Bund, vom sächsischen Kulturministerium und von der Kulturstiftung der Länder geförderten Wiederankaufs für die Öffentlichkeit erhalten.
Das Gemälde »Aechmea fasciata mit Büchern und Jahrhunderthalle T.« (1926) des Künstlers Oskar Moll (1875–1947) im Schlesischen Museum zu Görlitz gehörte mit großer Wahrscheinlichkeit dem 1939 in die USA geflohenen jüdischen Kunstsammler Otto Wachenheim und gilt als NS-Raubkunst. Im Rahmen einer fairen und gerechten Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien von 1998 wurde mit den Erbinnen und Erben des Sammlers eine Vereinbarung getroffen. Damit werden diese entschädigt, doch das Gemälde kann in der ständigen Ausstellung des Schlesischen Museums bleiben.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth: »Das Gemälde ‚Aechmea fasciata‘ von Oskar Moll spiegelt auf besondere Weise die expressionistische Bewegung und damit eine bedeutende Epoche der deutschen Kunstgeschichte wider. Dass dieses Zeugnis unseres Kulturerbes dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt, verdanken wir dem großzügigen Entgegenkommen der Erbengemeinschaft. Deutschland steht in der Pflicht, den NS-Kulturgutraub konsequent weiter aufzuarbeiten und mit einvernehmlichen Lösungen einen Beitrag zur Linderung des erlittenen Unrechts zu leisten. Deshalb hat der Bund die Restitution und den Wiederankauf dieses Gemäldes gern unterstützt.«
Die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch: »Otto Wachenheim hat das Stillleben unter massivem Verfolgungsdruck zurücklassen müssen. Mit der Restitution werden wir unserer historischen Verantwortung gerecht. Ich danke allen Beteiligten, mit deren Hilfe es gelungen ist, die Erbinnen und Erben zu entschädigen und zugleich dieses bedeutsame Gemälde für das Schlesische Museum zu erhalten.«
Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: »Die Kulturstiftung der Länder unterstützt seit mehr als einem Vierteljahrhundert Institutionen bei der Umsetzung von fairen und gerechten Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien von 1998. Ich freue mich sehr, dass mit der Erbengemeinschaft von Otto Wachenheim eine gute Lösung gefunden werden konnte und das Gemälde von Oskar Moll im Schlesischen Museum zu Görlitz weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Dies ist der ideale Ort, um das Werk im Kontext der deutsch-polnischen Geschichte zu vermitteln.«
Dr. Imke Gielen, die Rechtsanwältin der Erbengemeinschaft: »Im Namen der Familien Wachenheim und Herbst begrüßen wir die Restitution des Gemäldes. Diese bedeutet ihnen auch deshalb so viel, weil damit das Unrecht, das ihr Großonkel und Urgroßonkel in der NS-Zeit erleiden musste, nicht nur anerkannt, sondern zumindest auch ein Stück weit ‚wiedergutgemacht‘ wird. Sie bedanken sich bei dem Schlesischen Museum zu Görlitz für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Aufklärung der Provenienz.«
Der Kunstsammler Otto Wachenheim (1885–1969) emigrierte 1939 in die USA. Sein Vermögen, einschließlich seiner Kunstsammlung, musste er zurücklassen. Viele Jahre nach seinem Tod entdeckten seine Nachfahren, dass die Beschreibung eines verlorenen »Buchstilllebens« auf Oskar Molls Gemälde »Aechmea fasciata mit Büchern und Jahrhunderthalle T.« passte, das sich seit 2000 in der Sammlung des Schlesischen Museum zu Görlitz befindet.
Dr. Agnieszka Gąsior, Direktorin des Schlesischen Museums zu Görlitz: »Es ist uns ein Anliegen, geschehenes Unrecht anzuerkennen und sichtbar zu machen. Das Gemälde ist für unser Haus von unschätzbarem Wert. Oskar Moll war ein herausragender Vertreter der ‚Breslauer Moderne‘, der durch seine Lehrtätigkeit an der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe die Entwicklung der schlesischen Kunst in der Zwischenkriegszeit prägte. Die Darstellung der Breslauer Jahrhunderthalle auf seinem Gemälde ‚Aechmea fasciata‘ und damit seiner Verbindung zu Breslau ist einzigartig im Schaffen des Künstlers. Deshalb danken wir der Erbengemeinschaft, dass wir es weiter zeigen dürfen, sowie dem Bund, dem Freistaat Sachsen und der Kulturstiftung der Länder dafür, den Wiederankauf ermöglicht zu haben.«
Hintergrundinformationen
Über Otto Wachenheim
Otto Wachenheim stammte aus Mannheim und lebte von 1923 bis zu seiner Emigration 1939 in den Niederlanden. Seine Vermögenswerte, einschließlich seiner Kunstsammlung mit Werken des Impressionismus und der Moderne, blieben in seinem Haus in Amsterdam zurück, das nach 1940 zeitweilig von der deutschen Besatzungsbehörde genutzt wurde. Vermutlich 1944, als die Behörde auszog, kamen Mobiliar und Kunstgegenstände abhanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Otto Wachenheim aus dem US-amerikanischen Exil weitgehend erfolglos, die verlorenen Kunstwerke wiederzufinden. Seine Beschreibung eines »Buchstilllebens« wurde 2009 als Suchmeldung in der »Lost Art«-Datenbank eingestellt.
Über Oskar Moll
Oskar Moll (1875–1947) war ein herausragender Vertreter der Breslauer Moderne. Geboren wurde er in Brieg (Brzeg), Schlesien. Er studierte in München und Berlin, unter anderem bei Lovis Corinth. In Paris war er Schüler von Henri Matisse, dessen Farbenpracht und Stil ihn stark beeinflussten. In Breslau (Wrocław) war Moll ab 1918 Professor und ab 1925 Direktor der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe. Nach deren Schließung 1932 ging er nach Düsseldorf, wo er ab 1933 von den Nationalsozialisten als »entarteter Künstler« diffamiert wurde. 1947 starb er in Berlin.
Über das Schlesische Museum
Das Schlesische Museum zu Görlitz wird von der Bundesrepublik Deutschland und vom Freistaat Sachsen institutionell gefördert. Aufgabe des Museums ist es, die Kultur und Geschichte Schlesiens sowie deren Entwicklung in ihrer Fülle und Komplexität zu erhalten, zu schützen, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und zu vermitteln. Das Museum ist dem europäischen Gedanken verpflichtet und besitzt ein hohes Renommee als Ort der politischen Bildung. Im Dreiländereck zwischen Polen, Tschechien und Deutschland erfüllt es eine wichtige Rolle als Brückenbauer.
Pressemitteilung mit Bild zum Download
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Schlesisches Museum zu Görlitz
Dr. Martina Pietsch, Öffentlichkeitsarbeit
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