Polizeiverordnung über das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände in Leipzig für unwirksam erklärt

24.03.2021, 14:52 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

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Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Medieninformation 8/2021

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Normenkontrollurteil vom heutigen Tag die Polizeiverordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (SMI) über das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände in Leipzig vom 4. Oktober 2018 für unwirksam erklärt.

Mit der am 5. November 2018 in Kraft getretenen Verordnung wird Passanten im Gebiet um die Eisenbahnstraße in Leipzig das Mitführen gefährlicher Gegenstände, wie z. B. Äxte, Beile, Schlagstöcke, Baseballschläger, Messer und Reizstoffsprühgeräte, aber auch sonstiger Gegenstände, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, als Hieb- oder Stoßwaffen gegen Personen oder Sachen eingesetzt zu werden, untersagt. Die Verordnung besteht neben einer am gleichen Tag erlassenen Verordnung des SMI zur Einrichtung einer Waffenverbotszone in Leipzig, mit der das Führen einer Waffe in dem Gebiet auf Grundlage des Waffenrechts verboten wird. Der Antragsteller, der sich häufig im Gebiet der Verbotszone aufhält, wendet sich nur gegen die Verordnung, die das Mitführen gefährlicher Gegenstände untersagt.

Die Verordnung über das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände ist auf das allgemeine Polizeirecht gestützt, das eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinn voraussetzt. Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer solchen Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Erforderlich ist eine Prognose, die für bestimmte Arten von Verhaltensweisen - hier dem Mitführen von Messern und anderen gefährlichen Gegenständen - zu dem Ergebnis führt, dass typischerweise, jedenfalls aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, ein Schaden im Einzelfall für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wie z. B. durch eine Bedrohung oder Körperverletzung, einzutreten pflegt. Hierfür lagen indes weder der Behörde noch dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht hinreichende Daten vor. Allein die Tatsache, dass Rohheitsdelikte im Bereich der Eisenbahnstraße häufiger auftreten als in anderen Stadtteilen, reicht hierfür nicht. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dem das Sächsische Oberverwaltungsgericht folgt, keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Einer solchen möglichen Gefahr kann nur vom Sächsischen Landtag mit einem Parlamentsgesetz, nicht aber vom SMI oder der Stadt mit einer Polizeiverordnung begegnet werden. Für Erlass örtlich und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote existiert bereits eine solche Rechtsgrundlage in § 33 Sächsisches Polizeibehördengesetz, nicht jedoch für das Mitführen gefährlicher Gegenstände, die nicht unter das Waffengesetz fallen.

Da das Fehlen einer polizeirechtlichen Gefahr bereits zur Unwirksamkeit der Verordnung führt, konnte das Oberverwaltungsgericht die Frage, ob das SMI für den Erlass der Verordnung zuständig war oder die Verordnung von der Stadt Leipzig hätte erlassen werden müssen, ebenso offenlassen, wie die vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen nach der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit einzelner Regelungen der Verordnung.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

SächsOVG, Normenkontrollurteil vom 24. März 2021 - 6 C 22/19 -

Thomas Ranft
stv. Pressesprecher


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