Rede des Sächsischen Staatsministers der Justiz Manfred Kolbe in Grimma am 8. September 2001 im Rahmen des Friedensfestes der Stadt Grimma: "Bunte Vielfalt statt brauner Einfalt"

10.09.2001, 00:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Protest gegen die NPD-Versammlung in Grimma

"Sowohl als Bürger des Muldentalkreises als auch als Justizminister des Freistaates Sachsen möchte ich heute durch meine Anwesenheit den Protest der Stadt Grimma und ihrer Bürgerinnen und Bürger gegen die NPD-Versammlung auf dem Volkshausplatz unterstützen. Es ist gut, dass Grimma deutlich zeigt, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung gegen Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kämpft und sich deshalb hier versammelt hat. Die Bürger des Muldentalkreises haben bereits in der friedlichen Revolution 1989/90 für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gekämpft und treten auch heute für diese Werte ein. Alle sollen wissen: Der Muldentalkreis steht für Toleranz, Offenheit und Gastfreundschaft. Dies ist der Wille der übergroßen Mehrheit, und dies werden wir uns von der NPD nicht kaputt machen lassen.

Für Offenheit, Toleranz und Fremdenfreundlichkeit

Zu uns wird nachher noch der Sächsische Ausländerbeauftragte, Herr Landtagsabgeordneter Heiner Sandig, sprechen. Mit ihm müssen wir sowohl der offenen Fremdenfeindlichkeit der NPD als auch der von ihm festgestellten "Fremdenunfreundlichkeit" entgegentreten. Seit 1989 leben wir auch hier in Sachsen in einer offenen Gesellschaft und zunehmend in einer globalisierten Welt. Für Fremdenfeindlichkeit ist da kein Platz; und zwar sowohl von unseren Grundwerten her, als auch im Interesse unserer eigenen Entwicklung. Ich appelliere deshalb an alle: Lassen Sie uns für einen offenen, toleranten, fremdenfreundlichen Muldentalkreis eintreten!

Für einen wehrhaften Rechtsstaat gegen Gewalt und Einschüchterung

Unsere Bürger haben Anspruch auf Recht und Sicherheit, und diese zu gewährleisten, zählt gerade auch zu den Aufgaben des Justizministers. Gewalt und Einschüchterung dürfen nach den schlimmen Erfahrungen mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts nie wieder ein Mittel der Politik sein, egal aus welcher politischen Richtung.

Eine wehrhafte Demokratie und ein wehrhafter Rechtsstaat duldet keinen NPD-Aufmarsch, auf dem "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" gegrölt wird, weshalb die Versammlung der NPD vor einer Woche in Leipzig auch aufgelöst worden ist.

Eine wehrhafte Demokratie und ein wehrhafter Rechtsstaat kann aber auch nicht dulden, dass Linksextremisten unter dem Motto "Deutschland den Krieg erklären" letzten Sonnabend das Veranstaltungspodium der Stadt Leipzig stürmen wollten und den armenischen Dirigenten des Westsächsischen Sinfonieorchesters Ruben Gazarian krankenhausreif verletzten.

Kritik an der sächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit

In den letzten Tagen ist die sächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit teilweise heftig kritisiert worden, weil sie die NPD-Aufmärsche in Leipzig und Grimma nicht von vornherein verboten hat. Ich verstehe die berechtigten Sorgen vieler Bürger vor diesen Aufmärschen und vor gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bedenken Sie aber bitte auch, dass das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen an das Grundgesetz und seine Auslegung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind, nach der Versammlungen im Vorfeld nur unter ganz engen Voraussetzungen verboten werden können. Keinesfalls können wir es deshalb hinnehmen, wenn ein Leipziger Pfarrer meint, unsere rechtsstaatliche Justiz als "Steigbügelhalter der Nazis" diffamieren zu müssen.

NPD-Verbot, Versammlungsrecht und Demonstrationsstrafrecht

Gefordert ist in diesem Zusammenhang aber die Politik und eventuell der Gesetzgeber, nämlich beim NPD-Verbot, beim Versammlungsrecht und beim Demonstrationsstrafrecht.

1. Der NPD-Verbotsantrag ist mit der Stimme Sachsens gestellt, und das Bundesverfassungsgericht wird demnächst entscheiden. Eine verbotene Partei verliert das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten und an solchen teilzunehmen.

2. Ministerpräsident Biedenkopf hat sich letzte Woche bereits für eine Überprüfung des Versammlungsrechts ausgesprochen, mit dem Ziel, dass diejenigen, "die das Grundrecht der Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen, stärker verpflichtet werden, sich gemeinschaftsverträglich zu verhalten".

3. Als Justizminister möchte ich gewalttätige Demonstranten schärfer strafrechtlich verfolgen. Es darf null Toleranz bei Ausschreitungen und Missbrauch des Demonstrationsrechts durch Rechts- oder Linksextremisten geben. Insbesondere soll wegen Landfriedensbruch auch derjenige bestraft werden, der sich trotz polizeilicher Aufforderungen nicht von der Menschenmenge entfernt, aus der heraus Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen begangen werden.

Die heutige Veranstaltung der Stadt Grimma muss der Politik ein Ansporn sein, in diese Richtung zu handeln, und ich wünsche ihr deshalb noch einen weiteren erfolgreichen Verlauf."


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium der Justiz

Pressesprecher Dr. Alexander Melzer
Telefon: +49 351 564 15011
Telefax: +49 351 564 16189
E-Mail: presse@smj.justiz.sachsen.de

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