Abteilungsleiter Kunst im SMWK nimmt Stellung zu aktuellen Fragen der Museumslandschaft

30.10.2000, 15:31 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Der Abteilungsleiter Kunst im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Dr. Reiner Zimmermann, geht in einem Brief an Prof. Ludwig Güttler, einem der Initiatoren der Aktivitäten zur Nutzung des Palais im Großen Garten Dresden, auf die derzeit laufende Diskussion ein. Wir geben das Schreiben nachfolgend im Wortlaut wieder:

"Sehr geehrter Herr Professor Güttler,
die in den letzten Wochen heftig diskutierte Frage der Nutzung des Palais im Großen Garten kann nicht losgelöst von der Unterbringung der staatlichen Museen sowie der Nutzung weiterer, vom Freistaat zu sanierender Gebäude in Dresden gesehen werden.

Gegenwärtig wird über die Nutzung der Schlosskapelle gestritten: Es gibt Verfechter der ausschließlichen Einvernahme dieses Raumes für alte Musik, daher wird der Name Schützkapelle geprägt, der jedoch nicht zu akzeptieren ist; andere favorisieren einen Verbleib des Staatsschauspiels auf ewig und loben den Realitätssinn des Finanzministers, was in der Tat selten vorkommt, und vergessen dabei, dass die Schlosskapelle in ihrem jetzigen baulichen Zustand kein Theaterraum ist und nie einer werden wird, denn sie war von Anfang an als Interimsspielstätte gedacht, solange das Kleine Haus nicht zugänglich ist, und ihr fehlt auf Dauer jenes technische und räumliche Hinterland, welches ein Theater braucht und über das das Kleine Haus, als wichtiger Standort des Staatstheaters in der Neustadt, eben verfügt.

Deshalb soll, sobald für das Kleine Haus alle eigentumsrechtlichen Probleme geklärt sind und die baulichen Voraussetzungen wieder geschaffen werden, die Schlosskapelle als Raum der Musik genutzt werden, nicht nur für die alte Musik, die dort selbstverständlich einen wichtigen Platz einnehmen wird, sondern, da es auch neuere Musik gibt, für jede Art von Kammermusik verfügbar sein, ferner für wissenschaftliche Konferenzen, wie eben ein "Schütz-Kolloquium" oder anderes. Wäre es nicht auch eine gute Idee, wenn alle Besucher der künftigen Museen im Dresdner Residenzschloss, das erstmals in seiner Geschichte von diesem neuen Freistaat in seiner Gänze öffentlich zugänglich gemacht wird, nach anstrengendem Museumsrundgang um 16.30 Uhr einer halben Stunde Musik lauschen könnten, vorgetragen von Schülern des Heinrich-Schütz-Konservatoriums, von Studenten der Musikhochschule, von Kammerensembles unserer Spitzenorchester, von Gästen, die gerade in der Schlosskapelle konzertieren ... Schließlich werden die Staatlichen Kunstsammlungen die Schlosskapelle auch in ihre Aktivitäten einbeziehen, und wenn einer Firma die Strenge des Raumes zusagt, kann sie ihn für Veranstaltungen mieten.

Wir hätten damit als ein erstes künftiges Angebot für alle Dresdner Kammerensembles die Schlosskapelle. Das zweite künftige Angebot an die Dresdner Musiker wird der schon geplante Kammermusiksaal der Musikhochschule sein. Das dritte Angebot wird das Ausstellungsgebäude neben der Zitronenpresse sein, wo der Freistaat einen 14 Meter hohen Saal für die bildenden Künste saniert, in dem sich, bei guter Planung und mit Bezug auf die Kunstwerke, durchaus auch Konzerte veranstalten lassen. Alle drei Angebote werden dadurch möglich, dass es jeweils eine "hausverwaltende" Stelle gibt, die für Licht, Wärme sorgt und die Stühle rückt, Dinge, an die jeder Veranstalter denken sollte.

Das Palais im Großen Garten ist eine Inkunabel sächsischer Baukunst und wird nicht zu einem "Scherbenmausoleum" degradiert werden. Zunächst muss ein Nutzer bestimmt werden, der - siehe oben - für Licht, Wärme und Sicherheit sorgt. Dies wird das Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte sein, das beileibe nicht das ganze Palais überziehen will, sondern im unteren Teil des Gebäudes Flächen belegen wird. Archäologie in Sachsen ist, wie die Ausgrabungen immer wieder zeigen, ein spannender Augen-Blick in vorgeschichtliche Vergangenheit, zu dem sicher der Anblick einiger "Scherben" gehört - es gibt aber auch rekonstruierte vollständige Gefäße und andere Geräte, und eine Dauerausstellung kann ja sehr attraktiv angelegt werden.

Der Festsaal indessen war nie für eine archäologische Dauerausstellung vorgesehen, sondern für eine mehrfunktionale Nutzung, wie Sonderausstellungen, Konzerte, festliche Veranstaltungen, Vermietungen u. v. a. m. Hier bedarf es einer "hausverwaltenden" Stelle, die alle Angebote koordiniert. Wenn es im Großen Garten schon ein solches prachtvolles Gebäude gibt, so soll es allen Dresdnern und ihren Gästen zugänglich sein und nicht im Rahmen einer "Zweiklassengesellschaft" ausschließlich Festlichkeiten für handverlesene Gäste oder für exklusive Konzertveranstaltungen. Es muss auch Angebote geben, die den Besuchern das Palais in Gänze zugänglich machen. Übrigens: Der Festsaal im Obergeschoss ist nicht beheizbar, also für Festlichkeiten nur in der Sommersaison nutzbar. Wer wollte es dem Freistaat verübeln, wenn er bei den hohen Investitionen durch eine mehrfunktionale Nutzung auch einigen Nutzen davon hat. Wer auch immer die Idee von "Zwischendecken" in die Welt gesetzt hat, dem sei gesagt, dass der Festsaal in seiner ursprünglichen Kubatur wiederhergestellt wird.

Um keine zwar sanierten, aber "toten" Räume zu schaffen, muss der Blick auf alle Vorhaben in Dresden gerichtet werden. Eine einseitige, nur auf die Wünsche einer Gruppe gerichtete Diskussion hilft nicht einen Schritt weiter. Schließlich bedürfen alle derartigen Entscheidungen, wenn sie eine gewisse Solidität haben sollen, sorgfältiger Abwägung. Man sollte dabei bedenken, dass der Freistaat in den zehn Jahren seines Bestehens im Beseitigen von Trümmern und Provisorien schon weit gekommen ist und sich wegen eines Einzelfalls nicht unter Druck setzen lassen wird."


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus

Pressesprecher Falk Lange
Telefon: +49 351 564 60200
E-Mail: falk.lange@smwk.sachsen.de
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