Gutachten zum Landeswohlfahrtsverband Sachsen

17.02.2004, 12:27 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Der Freistaat Sachsen besitzt für die künftige Gestaltung der Durchführungs- und Finanzierungsverantwortung in der überörtlichen Sozialhilfe eine relativ günstige Ausgangsposition, erklärte heute Sachsens Sozialministerin Helma Orosz vor Journalisten in Dresden.

Im „Empirischen Gutachten zur Bewertung des Steuerungssystems, der Standards und der Finanzierung der überörtlichen Sozialhilfe sowie zu Alternativen zur gegenwärtigen Verteilung von Aufgaben und Kostenträgerschaft für überörtliche Sozialhilfeleistungen im Freistaat Sachsen“ wird eingangs festgestellt, dass der Landeswohlfahrtsverband Sachsen im Vergleich mit anderen überörtlichen Sozialhilfeträgern in Deutschland gut abschneidet. Die Nettoausgaben für Hilfen in besonderen Lebenslagen pro Kopf der Bevölkerung sind in Sachsen niedriger als in den zum Vergleich herangezogenen Ländern Thüringen, Brandenburg, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Auch der flächendeckende Aufbau der Infrastruktur wird von den Gutachtern gewürdigt.

Die Gutachter führen die vergleichsweise niedrigen Nettoausgaben zu einem wesentlichen Teil darauf zurück, dass in Sachsen die Trägerschaft für die überörtliche Sozialhilfe bereits mit der Errichtung des Landeswohlfahrtsverbandes Sachsen als einem höheren Kommunalverband im Jahr 1993 kommunalisiert worden ist und im Jahr 1997 auch die Finanzierung vollständig in die Verantwortung der kommunalen Hand gegeben worden ist.. Mit diesen Schritten sind die strukturellen Weichen auch zu verstärktem budgetverantwortlichem Handeln der kommunalen Gebietskörperschaften gestellt worden. Der Freistaat Sachsen hat diesen Übergang zur vollen Umlagenfinanzierung des Landeswohlfahrtsverbandes mit einer Erhöhung der Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs in Höhe von 200,1 Mio. EUR flankiert.

Mit Blick in die Zukunft konstatiert das Gutachten jedoch, dass die Zahl der Hilfeempfänger wegen der spezifischen Altersstruktur der Hilfeempfänger und der allgemeinen demografischen Entwicklung, aber auch wegen veränderter Familienstrukturen sowie anderer Faktoren in Sachsen – ebenso wie in den anderen Ländern – zunehmen wird. Das Gutachten enthält weiter zu verfolgende Lösungsansätze, wie der daraus resultierenden weiteren Ausgabensteigerung aufbauend auf den guten Voraussetzungen im Freistaat Sachsen entgegengewirkt werden kann.
Die Gutachter schlagen insbesondere vor, dass – dem Konnexitätsprinzip folgend – die Entscheidungs- und Durchführungskompetenz noch enger mit der Finanzierungskompetenz zusammengeführt wird, indem Aufgaben des Landeswohlfahrtsverbands auf die den Verband finanzierenden Mitglieder, die örtlichen Träger der Sozialhilfe, übertragen werden. Damit soll den Landkreisen und kreisfreien Städten künftig die Möglichkeit eröffnet werden, diese Aufgaben eigenverantwortlich zu erfüllen. Durch die Zusammenführung der Zuständigkeit für alle Leistungen an bestimmte Hilfeempfängergruppen in einer Hand werden Informationsverluste sowie Verschiebeeffekte vermieden; eine optimale Einzelfallsteuerung soll ermöglicht werden, wie die sächsische Sozialministerin ausführte.

Um den örtlichen Trägern der Sozialhilfe den Aufbau der erforderlichen Fachkompetenz zu ermöglichen und einen geordneten Übergang der Aufgaben zu gewährleisten, sollen die Aufgaben schrittweise übertragen werden. Dies erscheint sachgerecht.

In einem ersten Schritt sollen die örtlichen Träger der Sozialhilfe für diejenigen Aufgaben, zu deren Durchführung sie vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe bereits herangezogen werden, auch die unmittelbare Finanzierungszuständigkeit erhalten. Dies betrifft insbesondere die in Einrichtungen zur teilstationären oder stationären Betreuung erbrachten Hilfen für Personen über 65 Jahre. Daneben sollen sie künftig auch für alle Leistungen an Kinder im Vorschulalter sachlich zuständig sein.

In einem zweiten Schritt sollen sämtliche Leistungen für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr in die alleinige Zuständigkeit der örtlichen Träger übergehen.

Erst in einem dritten Schritt soll ein Großteil der übrigen Bearbeitungszuständigkeiten des Landeswohlfahrtsverbandes auf die Landkreise und kreisfreien Städte übergehen, wobei diesen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, auch einen anderen örtlichen Träger oder auch den Landeswohlfahrtsverband mit der Wahrnehmung der Aufgabe zu beauftragen.

Den Vorschlag der kommunalen Verbände, der Freistaat Sachsen solle sich unmittelbar an der Finanzierung des Landeswohlfahrtsverbandes beteiligen, bewerten die Gutachter kritisch, weil dadurch die positiven Effekte des Konnexitätsprinzips und bestehende Anreizpotenziale zu budgetverantwortlichem Handeln geschwächt würden. Zugleich erinnern die Gutachter daran, dass die Entwicklung der Haushaltsbelastung der kommunalen Seite bei der regelmäßigen Überprüfung der Finanzmassenverteilung nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz gemäß § 2 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes berücksichtigt wird.

Mit den vorgeschlagenen Strukturveränderungen sollen laut Sachsens Sozialministerin die Anreize zu einer sachgerechten und effektiven Leistungserbringung weiter verstärkt werden. Die Gutachter weisen jedoch darauf hin, dass der aufgrund der Zunahme der Hilfeempfänger zu erwartende Ausgabenanstieg durch diese Maßnahmen nicht neutralisiert, sondern nur gedämpft werden kann. Weitere Einsparungen könnten über eine Diskussion der gesetzten Standards erreicht werden.

Die Staatsregierung teilt grundsätzlich die Situationsbewertung der Gutachter. Der aufgrund der absehbaren Fallzahlenentwicklung zu erwartende Ausgabenanstieg erfordert auch eine Überprüfung von Strukturen und Regelungen, selbst wenn sich diese in der Vergangenheit im Wesentlichen bewährt haben.

Die Vorschläge der Gutachter sind hilfreich und eine geeignete Diskussionsgrundlage; sie bedürfen, so Helma Orosz, aber noch einer intensiven Auswertung. Diese wird die Staatsregierung in enger Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden im Freistaat Sachsen, dem Sächsischen Landkreistag und dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag, sowie dem Landeswohlfahrtsverband Sachsen und unter Einbezug der weiteren betroffenen Verbände vornehmen. Hierbei werden auch die Auswirkungen auf die Leistungserbringung im Einzelfall – und damit auf die Hilfesuchenden –, auf die Steuerung der Infrastruktur sowie auf den interkommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden müssen.

Der Grundsatz der Konnexität verdient jedoch nicht nur bei der Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Freistaates Sachsen Beachtung, sondern auch im Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern. Die Setzung von kostentreibenden, unflexiblen Standards durch den Bund ohne Länderöffnungsklauseln muss unterbleiben, wenn der Bund sich nicht zugleich auch an der Finanzierung der hierdurch entstehenden Mehrausgaben beteiligt, betonte abschließend Sozialministerin Helma Orosz.


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