Industriekulturelles Erbe: Wie weiter nach der Kohle?

15.03.2023, 16:04 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Fachtagung zu Relikten der Braunkohle- und Energieindustrie gestartet

Welchen kulturhistorischen Wert haben ausgediente Schaufelradbagger, ausrangierte Grubenloren, stillgelegte Brikettfabriken und andere Zeugnisse der Braunkohleindustrie? Damit und mit den noch aktiven Objekten des Tagebaus beschäftigen sich seit 2021 rund 25 Denkmalpfleger, Archäologen, Architekten, Geografen sowie Kultur- und Kunsthistoriker in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen in einem gemeinsamen Erfassungsprojekt. Von heute (15. März 2023) an werden die Forschungsergebnisse zu den Zeugnissen der Kohle- und Energieindustrie im Mitteldeutschen, Lausitzer und Rheinischen Revier auf einer dreitägigen Fachtagung in Böhlen (Landkreis Leipzig) vorgestellt und diskutiert.

100 Fachleute kommen vor Ort zum Austausch zusammen, weitere 40 sind online aus den anderen Revieren zugeschaltet. Die Erfasser tauschen die Ergebnisse unter anderem mit Fachämtern, Denkmalschutzbehörden sowie Vertretern der Braunkohlewirtschaft, Forschungseinrichtungen, Stiftungen, Museen und Vereinen aus.

Als zuständiger Fachminister für Denkmalschutz und Strukturentwicklung in Sachsen würdigte Staatsminister Thomas Schmidt zum Auftakt des Kolloquiums die Bedeutung des Forschungsprojektes: »Das, was hier erforscht wird, ist Teil unserer Geschichte, unseres umfangreichen industriekulturellen Erbes, auf das wir zu Recht stolz sein können. Wenn wir derzeit den Boden für einen strukturellen Wandel vorbereiten, der von den Menschen vor Ort getragen wird, dann schließt das auch ein, ihre Vergangenheit zu würdigen, dieses Erbe zu erforschen und in seinen repräsentativen Teilen zu erhalten. Dann gelingt es uns, auch mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, ein neues, ebenfalls innovatives Kapitel der Industriegeschichte in den Braunkohlerevieren zu öffnen.«

Die beschreibende, fotografische und kartografische Erfassung fand in engem Austausch mit den Menschen vor Ort statt. Ungeachtet ihres Alters, ihres potenziellen Denkmalwertes oder möglicher Erhaltungsperspektiven wurden alle baulichen und technischen Zeugnisse der Braunkohle- und Energieindustrie untersucht: von den Tagebauen mit ihren Tagebaugroßgeräten, Abraumhalden und Anlagen der Wasserhaltung bis zu den Kraftwerken und anderen Anlagen der Stromerzeugung und -verteilung, von der Braunkohleveredelung (Brikett-, Kohlestaub- und Koksherstellung) bis zu den erforderlichen Transporteinrichtungen auf Schienen oder Straßen. Aber auch Bergbaufolgeindustrien wie Glas- und Aluminiumwerke, die Werkssiedlungen, Verwaltungs- und Kulturbauten sowie die Entwicklung des geografischen Raumes wurden berücksichtigt. Für ganz Deutschland betrifft das in etwa 12 000 materielle Zeugnisse. Das betrachtete industrielle Erbe wurde zudem auf seinen Denkmalwert hin überprüft. Nun entsteht eine gemeinsame öffentliche Datenbank, in der deutschlandweit alle Relikte der Braunkohleindustrie recherchierbar sein werden.

Die Dokumentationen stellen einen wichtigen Beitrag dar für den nächsten Schritt: mit den Menschen in den Revieren gemeinsam Perspektiven für Standortnachnutzungen zu entwickeln. Der Landeskonservator Sachsens, Alf Furkert, betonte in diesem Zusammenhang: »Das interdisziplinäre Erfassungsprojekt unter dem Dach der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ist einzigartig in Deutschland, um das industriekulturelle Erbe in den Braunkohlerevieren länderübergreifend und vollständig zu erfassen. Das Kolloquium hier in Böhlen bietet erstmals die Gelegenheit, die vorhandenen Zeugnisse der Braunkohleindustrie zu vergleichen, zu diskutieren und sich über die Verwaltungsgrenzen hinweg über ihren Fortbestand auszutauschen.« Im Herbst dieses Jahres endet das Erfassungsprojekt.

Die Erfassungsergebnisse der Teams in Sachsen werden im Herbst 2023 auf folgender Website zu finden sein: https://www.kuladig.de/Ergebnisliste.

Hintergrund:
Die Bundesregierung hat im August 2020 das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen verabschiedet, mit dem Ziel, die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen zu fördern und den dortigen Strukturwandel zu begleiten. Vor diesem Hintergrund führen das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (LfD) und das Landesamt für Archäologie Sachsen (LfA) ein zweijähriges interdisziplinäres Erfassungsprojekt in den beiden sächsischen Braunkohlerevieren durch. Die beiden Projektteams (jeweils fünf Personen) erfassen im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier die bergbaubedingte Kulturlandschaft mit ihren prägenden materiellen Zeugnissen seit Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Darüber hinaus arbeiten weitere drei Projektteams in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Neben dem LfD und dem LfA gehören das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum sowie das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zu den Trägern. Das Projekt wird zu 100 Prozent (veranschlagt waren vier Millionen Euro) gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium für Regionalentwicklung

Pressesprecher Frank Meyer
Telefon: +49 351 564 50024
E-Mail: medien@smr.sachsen.de
zurück zum Seitenanfang