Ministerpräsident Michael Kretschmer und Justizministerin Katja Meier informieren sich über die Arbeit des Vereins für Soziale Rechtspflege Dresden e.V.
18.11.2022, 09:38 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Am 18. November 2022 besuchten Justizministerin Katja Meier und Ministerpräsident Michael Kretschmer den Verein für soziale Rechtspflege Dresden e.V. und informierten sich über die vielfältige Vereinsarbeit. Ein besonderer Fokus des Besuches richtete sich auf das Thema »Täter-Opfer-Ausgleich« und die Arbeit des Vereins in diesem Bereich. Der Verein ist mit seinen zahlreichen Hilfe-, Beratungs- und Präventionsangeboten ein wichtiger Bestandteil der freien Straffälligenhilfe in Sachsen. Er ist unter anderem eine Anlauf- und Beratungsstelle für Straffällige und deren Angehörige und bietet umfangreiche Hilfen für Gefangene bei der Entlassungsvorbereitung. Mit dem Projekt »Pier 36« des Vereins für soziale Rechtspflege eröffnete 2021 in Dresden zudem die bundesweit erste Einrichtung des Vollzugs in freien Formen für erwachsene männliche Gefangene.
Zur Arbeit des Vereins führte Justizministerin Katja Meier aus: »Der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e.V. steht für engagierte Straffälligenhilfe in Sachsen. Zusammen mit dem Verein gestalten wir im sächsischen Justizvollzug zukunftsweisende Projekte, wie die bundesweit erste Einrichtung des Vollzugs in freien Formen für Erwachsene. Oberstes Ziel ist die Resozialisierung. Dafür setzen die Projekte bei den individuellen Problemen aber auch Kompetenzen der Inhaftierten an.«
Der besondere Fokus des Besuchs des Ministerpräsidenten und der Justizministerin lag auf dem Täter-Opfer-Ausgleich. Der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e.V. bietet den Täter-Opfer-Ausgleich für jugendliche und heranwachsende Straftäterinnen und Straftäter an, die zur Tatzeit unter 21 Jahre alt waren. Das Verfahren bietet die Möglichkeit zur außergerichtlichen Klärung und Wiedergutmachung nach einer Straftat. Dabei werden Täterinnen und Täter sowie Geschädigte mit Hilfe einer neutralen Vermittlerin bzw. eines neutralen Vermittlers in die Lage versetzt, die Straftat und ihre Folgen zu besprechen und eine Wiedergutmachung zu vereinbaren.
»Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein wichtiges Verfahren zur konstruktiven Konfliktbewältigung zwischen Opfern und Tätern. Gerade das Opfer erhält hierdurch eine besondere Stimme und die Möglichkeit, die Täterin oder den Täter unmittelbar mit den Folgen der Straftat zu konfrontieren. In einer Übereinkunft zwischen Täter und Opfer zur Wiedergutmachung der Folgen der Tat wird der Rechtsfrieden wiederhergestellt«, so Katja Meier. »Wir wollen dem Täter-Opfer-Ausgleich in Sachsen einen neuen Stellenwert geben. Deshalb führen wir derzeit in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig eine wissenschaftliche Studie durch, um neue Impulse für den Täter-Opfer-Ausgleich in Sachsen zu erhalten, das Verfahren weiterzuentwickeln und öfter zum Einsatz zu bringen.«
Hintergrund:
Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein Verfahren der Konfliktschlichtung. Unter Aufsicht einer Mediatorin bzw. eines Mediators versuchen Opfer und Täterinnen und Täter eine außergerichtliche Konfliktregelung zu finden und sich auf eine Wiedergutmachung zu verständigen. Eingeleitet wird der Täter-Opfer-Ausgleich durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht. Kommt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich im konkreten Verfahren in Frage kommt, wird von diesen eine Vermittlungsstelle mit dessen Durchführung beauftragt. Beschuldigte oder Opfer können die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs jedoch auch selbst anregen.
Der Täter-Opfer-Ausgleich bietet die Möglichkeit, durch einen kommunikativen Prozess zwischen Opfern und Täterinnen und Tätern einer Straftat einen unmittelbaren Ausgleich zwischen diesen zu erzielen. Dabei ist es gleich, ob ein Konflikt zu der Straftat geführt hat oder erst durch die Tat entstanden ist. Vor dem Schlichtungsgespräch führt die Schlichtungsstelle getrennte Gespräche mit dem Opfer und den Beschuldigten, um die Bereitschaft für einen Täter-Opfer-Ausgleich abzuklären, die Erwartungen und Empfindungen der Beteiligten in Erfahrung zu bringen und die Regeln eines Ausgleichgesprächs zu erläutern. Daran schließt sich das gemeinsame Ausgleichsgespräch an. Geleitet wird das Gespräch von neutralen, in der Konfliktschlichtung besonders geschulten Vermittlerinnen. Diese wirken auf eine ausgewogene Gesprächsführung hin und überwachen die Einhaltung der getroffenen Vereinbarung (z.B. zum Schadensausgleich).
Ein als erfolgreich bewerteter Täter-Opfer-Ausgleich kann unter Umständen zu einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft oder – nach bereits erfolgter Anklageerhebung – zu einer Einstellung des Strafverfahrens durch das Gericht führen (§§ 153a, 153b StGB und §§ 45, 47 JGG). Darüber hinaus kann er unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Strafmilderung oder sogar ein gerichtliches Absehen von Strafe zur Folge haben (§ 46a StGB).
Vermittlungsstelle bei erwachsenen Beschuldigten ist der Soziale Dienst der Justiz, der bei den Landgerichten angegliedert ist. Vermittlungsstelle bei jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten ist die Jugendgerichtshilfe des für die Jugendlichen oder Heranwachsenden zuständigen Jugendamtes. Das Jugendamt kann einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe mit der Durchführung beauftragen.