Freistaat fördert Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. mit 100.000 Euro

07.09.2022, 13:46 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus fördert den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. mit 100.000 Euro aus PMO-Mitteln. Mit den Mitteln wird die historische Rotunde des Kaßberg-Gefängnisses als Veranstaltungs- und Sonderausstellungsraum ausgebaut. So sollen unter anderem Brandschutzfenster eingebaut und Elektronik neu installiert werden.

Die Rotunde soll nach Abschluss der Bauarbeiten auch für Veranstaltungen und besondere Projekte im Bildungsbereich wie künstlerische Workshops genutzt werden. Aber auch Abendveranstaltungen wie Buchvorstellungen, Podiumsgespräche und Filmvorführungen sind durch den Verein in den Räumen geplant.

»Ich freue mich, dass wir den Verein erneut beim Aufbau des Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis mit PMO-Mitteln unterstützen können. Der Verein setzt sich seit über zehn Jahren mit großem Engagement dafür ein, auf dem Gelände der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt Kaßberg einen Lern- und Gedenkort einzurichten. Der Ausbau der Rotunde als Veranstaltungs- und Ausstellungsraum ist ein weiterer wichtiger Schritt«, sagte die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch.

Bereits im Oktober 2020 hatte Staatsministerin Barbara Klepsch einen Fördermittelbescheid in Höhe von 3,6 Millionen Euro an den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. überreicht. Mithilfe der Mittel entsteht bis zum Herbst 2023 im Hafttrakt B des ehemaligen Gefängnisses eine Gedenkstätte. Gemeinsam mit dem Bund und der Stadt Chemnitz finanziert der Freistaat Sachsen den Aufbau einer Gedenkstätte, die sich mit allen dunklen Kapiteln dieses Orts auseinandersetzt.

Über das ehemalige Gefängnis Chemnitz-Kaßberg:
Der Kaßberg ist als Abschiebegefängnis der DDR bekannt geworden. Im Jahr 1989 verfügte der vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genutzte Gefängnisteil über 163 Zellen, in denen 329 Häftlinge untergebracht werden konnten. Von hier aus wurde der Häftlingsfreikauf in den Westen durch die DDR abgewickelt, der im Gegenzug für dringend benötigte Devisen sorgte. Fast 30.000 freigekaufte Häftlinge wurden über das Kaßberg-Gefängnis abgeschoben. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal wird die Gedenkstätte zu einem zentralen Ort für die Aufarbeitung der deutsch-deutschen Teilungsgeschichte. Als eine der wenigen Gedenkstätten, die SED-Unrecht abbilden, kann an diesem historischen Ort die ost- wie die westdeutsche Perspektive des Häftlingsfreikaufs abgebildet werden.

Vor 1945 hielt die Gestapo des NS-Regimes hier Personen gefangen, die für die Volksgemeinschaft als nicht würdig angesehen wurden. Nicht zuletzt spielte der Kaßberg bei der Verfolgung Chemnitzer Juden eine Rolle. Nach dem Krieg bezog der sowjetische Geheimdienst hier Quartier. Nicht nur NS-Verbrecher, sondern auch Jugendliche, die haltlos beispielsweise beschuldigt worden, der Partisanenorganisation »Werwolf« anzugehören, waren hier Häftlinge ebenso wie Personen aus dem Umfeld der Wismut, die man der Spionage oder Sabotage bezichtigte.

Über den Verein Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis:
Seit seiner Gründung im Jahr 2011 setzt sich der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. dafür ein, auf dem Gelände der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt Kaßberg in Chemnitz einen Lern- und Gedenkort einzurichten. In ehrenamtlicher Tätigkeit engagieren sich die Mitglieder des Vereins mit Führungen und Veranstaltungen. Dazu gehören auch Zeitzeugengespräche in und außerhalb von Chemnitz. Bis zu Beginn der Umbaumaßnahmen im Winter 2018 ermöglichte er in den Jahren 2017 und 2018 – meist in Begleitung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – jeweils etwa 130 Gruppenbesichtigungen über das einstige Haftgelände.

Als außerschulischer Lernort will die Gedenkstätte Kaßberg-Gefängnis das Wissen über die zwei deutschen Diktaturen wachhalten und mit einem vielfältigen pädagogischen Programm, vor allem jungen Menschen immer wieder den Wert einer rechtsstaatlichen demokratischen Gesellschaftsform vor Augen führen. Der Lern- und Gedenkort soll zum freien Meinungsaustausch einladen und demokratiefördernd wirken.

Hintergrund zu den PMO-Mitteln

Nach der deutschen Wiedervereinigung verwaltete die Treuhandanstalt das Vermögen von SED und anderen Massenorganisationen der DDR. Die SED aber auch andere Parteien hatten Teile ihres Vermögens über Scheinfirmen auf Banken in der Schweiz transferiert. In jahrelangen Rechtsstreitigkeiten gegen verschiedene Banken, zuletzt unter der Regie der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), die vom Bundesfinanzministerium als Treuhandnachfolge eingesetzt worden war, wurde auf die Herausgabe dieser Vermögenswerte geklagt. Das verfügbare Vermögen wird auf Basis der Einwohnerzahl zum 31.12.1991 auf die ostdeutschen Bundesländer verteilt. Der Einigungsvertrag legt zur Mittelverwendung fest: Die ostdeutschen Länder müssen das Geld für Maßnahmen der wirtschaftlichen Umstrukturierung oder für investive oder investitionsfördernde Maßnahmen im sozialen und kulturellen Bereich einsetzen.


Kontakt

Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus

Pressesprecher Jörg Förster
Telefon: +49 351 564 60620
E-Mail: presse.kt@smwk.sachsen.de
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