Haute couture vor 3000 Jahren: Die Erfindung der Hose | Foyerausstellung im smac

10.03.2022, 11:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

smac - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Die Erfindung der Hose

Eine Ausstellung zur ältesten Hose der Welt
11.03. – 08.05.2022 im Foyer des smac
Eintritt frei

Ab dem morgigen Freitag, 11.03.2022, präsentiert die Foyerausstellung im smac eindrucksvoll und vor allem verständlich die Erforschung eines ganz besonderen archäologischen Fundes: eine der bislang ältesten Hosen der Welt. Sie stammt aus einem 3000 Jahre alten Grab bei Turfan in West-China. Ein internationales Team aus Archäologen, Modedesignern, Geowissenschaftlern, Chemikern und Restauratorinnen arbeitete fünf Jahre lang daran, das Alter, Material und die Konstruktion der Hose sowie aller Kleidungsteile zu erforschen. Um ihre Hypothese zu überprüfen, bauten sie die Hose originalgetreu nach.

Die Foyerausstellung zeigt die Reproduktion der Hose. Das Original befindet sich in China.
Sie wird im Rahmen der großen Sonderausstellung »Chic! Schmuck. Macht. Leute.« präsentiert, die am 1.4.2022 eröffnet (Infos unter www.smac.sachsen.de/chic).

Prof. Dr. Mayke Wagner, Leiterin des Forschungsprojekts »Silk Road Fashion«:
»Die Hose ist ein Meisterwerk. Die Herstellerinnen schnitten die drei Bestandteile der Hose nicht aus einem großen Stück gewebten Stoffs. Vielmehr webten sie die Teile direkt in Form und nähten sie anschließend zusammen. Die Hose ist dem Träger quasi auf den Leib gewebt. Haute couture vor 3000 Jahren. Mit dem Zwickel, der die beiden Beine verbindet, war sie zudem ein absolutes Novum in der damaligen Modewelt. Vorher kannte man nur Beinlinge.«

TECHNOLOGIE UND SCHÖNHEIT

Alles, was der Mann am Leibe trug, war biologisch und nachhaltig gefertigt, technisch auf dem höchsten Stand und schmückend. Poncho, Hose, Bänder um Kopf, Taille und Beine – alles aus Schafswolle. Das braune und naturweiße Garn reißfest gedreht, damit konnte die Hose ein Leben lang halten. Wenn man genau hinschaut, sieht man die Diagonalen im Stoff. An den heutigen Jeans auch. Das ist dehnbares Köper-Gewebe. Die Musterzone am Knie jedoch ist eingeflochten, der Wechsel von hellen und dunklen Stufenpyramiden auf der Höhe des Schritts gewirkt, der Hosenbund aus steifem Rips gewebt. Die Macherin hat die Hose auf demselben Gerät mit verschiedenen Techniken gestaltet und in gewünschter Größe geformt. Kein Zuschnitt. Kein Verschnitt. Nur Textilkunst und dreidimensionales Denken.

REITEN UND MODE

Nach fast zehn Jahren Forschung wissen wir jetzt: Als Menschen vor etwa 4000 Jahren auf domestizierten Pferden zu reiten begannen, hatten sie noch keine Hosen. Lendenschurz und Beinlinge reichten. Aber als sich der Kampf zu Pferde als überlegen erwies und in Eurasien verbreitete, als die Reiterkrieger einen soliden Schutz ihres Körpers brauchten, und als schließlich mit einer unscheinbaren, aber bahnbrechenden Neuerung am Webgerät und der Wolle von Schafen dehnbare Gewebe möglich waren, da musste und konnte das einteilige, gegabelte Beinkleid, also die eng anliegende feste Hose, geschaffen werden. In Turfan gibt es mehrere aus der Zeit vor etwa 3000 Jahren, sie sind die ältesten erhaltenen Hosen weltweit und der Ursprung unserer Jeansmode.

DIE ENTDECKUNG DER HOSE

Beim Straßenbau nahe Turfan, Westchina, stießen Arbeiter unter Schotter und Sand auf einen alten Friedhof. Archäologen untersuchten insgesamt 531 Gräber und entdeckten 2003 in einer der Gruben einen etwa vierzigjährigen Mann, der vor ca. 3000 Jahren bestattet worden war. Seine Kleidung und Ausrüstung haben sich in der Trockenheit so gut erhalten, dass sie uns seltene Einblicke in Mode, Technik und Lebensweise seiner Zeit erlauben. Aber nicht das an einem Pflock neben seinem Kopf aufgehängte Zaumzeug, die Reitpeitsche in seiner rechten Hand, die Streitaxt quer über seiner Brust, die Ohrringe – links ein bronzener, rechts einer aus Gold – oder die exotischen Kaurischnecken an seinem Stirnband, sondern etwas anderes macht ihn heute berühmt: seine Hose.

DIE ERFORSCHUNG DER HOSE

Die Turfaner Archäologen luden die Fachkollegen der Außenstellen Peking des Deutschen Archäologischen Instituts ein, mit ihnen gemeinsam die Kleidung des Mannes unter die Lupe zu nehmen. Daraus ging das deutsch-chinesische Projekt »Silk Road Fashion« hervor. Wichtig sind den Forscherinnen und Forschern die Konservierung und Ausstellung der archäologischen Funde im Museum Turfan und neue Erkenntnisse zur Geschichte von Technologien, die mit Kleidung zu tun haben. Sie suchten z. B. eine Antwort auf die Frage: Seit wann können die Menschen Hosen schneidern? Um das herauszufinden, arbeiteten Restauratorinnen, Textildesigner, Chemikerinnen, Schafzüchter, Geowissenschaftler und Archäologinnen aus sechs Ländern bei Analysen und Praxistests zusammen. Das Projekt wurde 2013-2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und ist im Forschungsplan des Deutschen Archäologischen Instituts verankert.

Mit besten Grüßen,
Jutta Boehme
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am smac

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