Ministerpräsident Milbradt als Zeuge im Untersuchungsausschuss Sachsen LB: Fehlentscheidungen fielen ab Mitte 2004

31.03.2008, 13:51 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Ministerpräsident Georg Milbradt hat heute dem Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages Rede und Antwort gestanden. In seinem Eingangsstatement betonte der Ministerpräsident: „Die Gründung der Sachsen LB durch den Freistaat Sachsen sowie ihre Geschäftspolitik waren zu meiner Zeit als Finanzminister richtig. Es gab dazu keine vernünftige Alternative.“ Ungeachtet der gegenwärtigen Finanzkrise sei die Sachsen LB von großem Nutzen für die Anteilseigner und den Wirtschaftsstandort Sachsen gewesen. Der Aufbau des Landes wäre ohne die Sachsen LB nicht so erfolgreich verlaufen, betonte der Ministerpräsident. Ohne die Sachsen LB hätte es z.B. weder den heutigen Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zu einem Frachtdrehkreuz noch die Leipziger Energiebörse noch die Ansiedlung von Porsche gegeben, ebensowenig später die BMW-Ansiedlung. Georg Milbradt: „Die Entscheidung für die Gründung einer eigenen Landesbank mit den Stimmen aus allen Fraktionen des Landtags war richtig. Es gibt für niemanden einen Grund, sich von dieser Entscheidung zu distanzieren.“

Der Ministerpräsident führte weiter aus, nicht die Entscheidungen von 2000/2001, sondern die spätere massive Ausweitung der Kapitalmarktaktivitäten der Sachsen LB Europe plc und die Auslagerung in außerbilanzielle Zweckgesellschaften seien ursächlich für die Umstände gewesen, die im August 2007 zur Veräußerung der Sachsen LB an die LBBW geführt hätten. Während seiner Zeit als Finanzminister sei das Kapitalmarktgeschäft wesentlich risikoärmer als das klassische Kreditgeschäft gewesen, wie den Geschäftsberichten aus jener Zeit zu entnehmen sei. Das Kapitalmarktgeschäft habe in der Geschäftspolitik der Bank damals der Risikobegrenzung gedient.

Auch im Lichte der aktuellen Entwicklungen gebe es keine Veranlassung, sich nachträglich von Entscheidungen der Bankgremien zu seiner Zeit als Finanzminister zu distanzieren, sagte Milbradt. Sie seien richtig gewesen. Sie seien auch nicht der Grund für das Desaster von 2007 gewesen. Wie der Bericht von Ernst & Young zeige, seien dafür spätere Entscheidungen, beginnend ab Mitte 2004, verstärkt aber ab Mitte 2005 bis zum Sommer 2007, verantwortlich. Nicht die Geschäfte an sich, sondern ihr Ausmaß und ihr Zeitpunkt seien die Ursachen der Schwierigkeiten gewesen. Georg Milbradt: „Liquiditätsrisiken wurden übersehen, vertragliche Vereinbarungen nicht beachtet und die fundamentale Veränderung der Märkte nicht berücksichtigt. Die für Handel und Risiko zuständigen Vorstände waren offensichtlich in Stresssituation überfordert.“

In seinen Äußerungen vor dem Untersuchungsausschuss verwies der Ministerpräsident darauf, dass Kapitalmarktgeschäfte nicht per se besonders risikobehaftet seien. „In meiner Zeit in den Gremien der Bank habe ich immer größten Wert darauf gelegt, risikoarme Geschäfte einzugehen, auch wenn dabei nur niedrige Renditen zu erzielen waren“, sagte Milbradt. Wenn aus politischen Erwägungen besondere Risiken übernommen werden sollten, habe er darauf gedrungen, diese mit Staatsbürgschaften zu decken, um dies zum einen nach außen deutlich zu machen und zum anderen die Landesbank vor politischen Überforderungen zu schützen. Diese risikoarme Strategie habe sich zu seiner Zeit ausgezahlt. Es seien immer schwarze Zahlen geschrieben worden, trotz teilweise schmerzlicher Ausfälle im klassischen Kreditgeschäft.

Die Behauptung, er hätte im Präsidialausschuss der Sachsen LB vom 9. Juni 2000 Interesse an einem ungehemmten raschen Ertragswachstum des Dublin-Engagements bekundet, wies der Ministerpräsident zurück. „Ein Blick in das Protokoll zeigt vielmehr den wahren Sachverhalt: Mir ging es immer darum, das Risiko der Geschäfte in Dublin für die Sachsen LB und ihre Gremien kontrollierbar zu halten und die Übereinstimmung mit der Bankenaufsicht herzustellen:“ Und weiter: „Dublin sollte sich nicht von Leipzig selbständig machen und sich nicht der Kontrolle der Gremien der Sachsen LB entziehen können. Mir war wichtig, dass die Auslagerung des Geschäftes in Dublin nicht zu Lasten des Einflusses der Landesbankgremien und ihrer Kontrolle, insbesondere der Kontrolle der Risiken, ging.“ Der Ministerpräsident außerdem: „Mein Verhalten in Bezug auf die Sachsen LB war, so lange ich dort Verantwortung trug, immer auf Risikobegrenzung und Maßhalten ausgerichtet, so wie es jeder umsichtige Kaufmann halten sollte.“

Die Verantwortung für den gewählten konkreten Ausbau des Kapitalmarktgeschäftes in Dublin sowie für die Struktur und Kontrolle des eingegangenen Risikos trage der Vorstand der Sachsen LB. Die Gremien der Bank seien vom Vorstand über die tatsächlichen Risiken nicht oder unvollständig informiert worden.

Ministerpräsident Milbradt betonte, dass er seinen Pflichten sowohl als Finanzminister als auch als Ministerpräsident nachgekommen sei, wie es das jeweilige Amt erfordere. Darüber hinausgehende Erwartungen an die Pflichten und Kompetenzen des Ministerpräsidenten seien mit der Sächsischen Verfassung und der Stellung der Sachsen LB als unabhängiges Kreditinstitut mit eigenen Organen unvereinbar. Milbradt: „Solche Erwartungen überspannen aus politischem Kalkül die Anforderungen an die Amtsführung des Ministerpräsidenten und sind daher zurückzuweisen.“ Seit seinem Ausscheiden als Finanzminister Ende Januar 2001 habe er nicht mehr den Gremien der Sachsen LB angehört. Ebenso wenig habe er als Ministerpräsident die Rechtsaufsicht über die Sachsen LB innegehabt, für die das Staatsministerium für Finanzen zuständig gewesen sei.

In der öffentlichen Diskussion um seinen Kenntnisstand als Ministerpräsident hinsichtlich der Sachsen LB werde häufig der unzutreffende Eindruck vermittelt, er habe in den vergangenen Jahren nichts anderes zu tun gehabt, als sich detailliert und lückenlos über die Geschäftstätigkeit der Sachsen LB zu informieren. „Solchen Vermutungen widerspreche ich. Die vielfältigen Aufgaben und Pflichten des Ministerpräsidenten lassen es nicht zu, dass ich mich über das operative Geschäft oder die Strategie einzelner Beteiligungsgesellschaften des Freistaates in einem Umfang und in der Tiefe wie ein Verwaltungsratsmitglied oder der zuständige Minister informieren kann,“ betonte Milbradt.

Es sei Aufgabe des Finanzministers gewesen, die Angelegenheiten aus seinem Geschäftsbereich weiter zu verfolgen, die von dritter Seite an den Ministerpräsidenten herangetragen worden seien. Er habe daher sämtliche Informationen von Dritten zur Sachsen LB an das Finanzministerium weitergeleitet und dort um Information über den Bearbeitungs- und Erledigungsstand gebeten, was auch geschehen sei. Dies schließe nicht aus, dass er sich fallweise habe informieren lassen und ggf. eingeschaltet hätte. Dies sei dann geschehen, wenn nicht allein die Belange des Finanzressorts und das laufende Bankgeschäft betroffen gewesen seien, sondern Landesinteressen berührt worden seien, eine öffentliche Erörterung über angebliche Missstände stattgefunden habe oder ihn der Finanzminister von sich aus über besondere Vorkommnisse unterrichtete habe. Dies sei z. B. im August und Dezember 2007 bei der Rettung der Bank oder bei den Vorbereitungen zum Zusammengehen mit der West LB Anfang 2007 der Fall gewesen.

„Ich habe mich in Zeiten einer historisch einmaligen internationalen Finanzkrise erfolgreich für die Eingliederung der Sachsen LB unter dem Dach der leistungsstarken LBBW eingesetzt – eine Lösung, mit der wir unter den gegebenen Umständen das Beste herausgeholt haben für die bisherigen Anteilseigner und für die Mitarbeiter der Sachsen LB, für die mittelständische Wirtschaft und die Sparkassen in Sachsen,“ sagte Ministerpräsident Georg Milbradt abschließend.


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