Finanzminister Tillich berichtet über Prüfergebnisse zu Sachsen LB

11.03.2008, 13:34 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Sachsens Finanzminister Stanislaw Tillich hat heute in Dresden die Inhalte eines Gutachtens zur Sachsen LB vorgestellt. Darin wurde vor allem überprüft, ob die Steuerungs-, Unterrichtungs- und Kontrollpflichten der jeweiligen Stellen ordnungs-gemäß ausgeübt wurden. Darüber hinaus ist die Krisenbewältigung seit August 2007 Untersuchungsgegenstand. Das Finanzministerium hat das Gutachten am 19. September 2007 bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young AG in Auftrag gegeben.

Die Sachsen LB war gemeinsam mit ihrer Tochterbank Sachsen LB Europe plc. Dublin (kurz: SLBE) im so genannten Kreditersatzgeschäft (verbriefte Kredite und andere synthetische Anlageprodukte) sowie in Fondsanlagen aktiv, um Zusatzerträge zu er-zielen. Beide Banken haben zum einen Portfolien auf eigene Rechnung gehalten, zum anderen bestanden so genannte Zweckgesellschaften (z.B. „Ormond Quay“ und „Georges Quay“), die nicht in den Büchern der Sachsen LB oder der SLBE berücksichtigt werden mussten, da sie keine unternehmensrechtliche Beteiligungen sind, sondern insbesondere von der SLBE gemanagt wurden.

Eine Besonderheit von „Ormond Quay“ bestand darin, dass die Sachsen LB und die SLBE aufgrund einer Patronatserklärung gemeinsam über eine Vereinbarung sämtliche wirtschaftliche Risiken trugen („valuation agreement“) und nicht die Haftung, wie bei den anderen Engagements üblich, auf die Liquiditätszusage begrenzt war. Diese Über-nahme sämtlicher wirtschaftlicher Risiken wiederum war voll durch die Gewährträger-haftung des Freitstaats erfasst. Der Anteil der Liquiditätslinien seitens der Sachsen LB am gesamten Investitionsvolumen der Zweckgesellschaft „Ormond Quay“ betrug vier Prozent Liquiditätszusage. Unter anderem das Problem, für „Ormond Quay“ angesichts einer historisch einmaligen Marktstörung Liquidität bereitzustellen, war im August Auslöser der Krise.

Das Gutachten sieht vor allem folgende Probleme und Versäumnisse (Hauptbefunde):

Unvollständiges Risikomanagement

– Obgleich die Gremienvorlage (für Vorstands- und Kreditausschussbeschluss) im Juni 2004 anlässlich des wirtschaftlichen Starts sachgemäß auf die Wirkungsweise bei der Zweckgesellschaft „Ormond Quay“ (Übernahme sämtlicher wirtschaftlicher Risiken der Zweckgesellschaft, „valuation agreement“) hinwies, wurde das Valuation Agreement offenbar nicht in den Risikomanagementsystemen der Bank erfasst und fand auch in den quartalsweisen Risikoberichten keinen Niederschlag.

– Mitte März 2005 wurde der Jahresabschluss 2004 der Sachsen LB ohne Hinweis auf diese speziellen Risiken aufgestellt, geprüft und verabschiedet. Auch in den Jahres- und Konzernabschlüssen 2005 und 2006 der SLB und der SLBE erfolgte keine Abbildung der finanziellen Verpflichtungen aus dem Valuation Agreement.

– Aus Sicht der Gutachter wäre beginnend mit dem Jahresabschluss 2004 und gemäß der § 285 Nr. 3 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 2 des HGB im Anhang jeweils eine Angabe der finanziellen Verpflichtungen aus dem Valuation Agreement mit einem Verweis auf das Volumen von „Ormond Quay“ erforderlich gewesen. Dies unterblieb. In der Unterlassung dieser Angaben sehen die Gutachter ein Versäumnis des Gesamtvorstandes, der die jeweiligen Jahres- bzw. Konzernabschlüsse aufzustellen hat.

– Die betroffenen Jahresabschlüsse wurden vom Abschlussprüfer uneingeschränkt bestätigt, durch den Verwaltungsrat (einschließlich Bilanz- und Prüfungsausschuss) behandelt und durch die Anteilseignerversammlung festgestellt.

– Aufgrund der fehlenden Erfassung der Risiken insbesondere aus dem Valuations Agreement waren die Gremien (Kreditausschuss, Bilanzprüfungsausschuss, Verwaltungsrat) über mehrere Jahre unzureichend informiert. Dritten war es wegen der fehlenden Erfassung in den Jahresabschlüssen nicht möglich, sich ein Bild von der tatsächlichen Risikolage der Bank zu machen.

– Im Juni 2005 hat der Kreditausschuss eine deutlich höhere Liquiditätslinie für „Ormond Quay“ und damit deutliche Ausweitung des Gesamtvolumens von „Ormond Quay“ behandelt und per Vorratsbeschluss ermöglicht.

– Die Vorstandsbesetzung wechselte seit dem Start von Ormond Quay mehrfach. Dies hat gemeinsam mit der Nichtberücksichtigung der Risiken aus dem o.g. „valuation agreement“ im Risikomanagement offenbar dazugeführt, dass bis zur Finanzmarktkrise 2007 im Vorstand keine ausreichende Kenntnis der Risikolage mehr bestand.

– Die Gutachter führen aus, dass vor allem Liquiditäts-, aber auch Marktpreisrisiken (Marktschwankungen) bei der Steuerung der strukturierten Portfolien zu wenig Bedeutung beigemessen und offenbar überwiegend die „Adressenausfallrisiken“ (Ausfallwahrscheinlichkeiten) betrachtet wurden.

– Von Oktober 2004 bis April 2005 wurde die Synthetic Asset Geschäft der SLBE im Rahmen einer § 44 KWG-Prüfung durch KPMG untersucht. Es ergaben sich zahl-reiche Beanstandungen im Bezug auf das Risikomanagement. Im Oktober 2006 wurde der Verwaltungsrat vom Vorstand informiert, dass zum 30. Juni 2006 sämt-liche Beanstandungen behoben sind. Nach Auffassung der Gutachter konnte der Verwaltungsrat somit seit dem davon ausgehen, dass die Risikodarstellung im Rahmen der quartalsweisen Berichterstattung vollständig war.

Krisenbewältigung 2007

– Obwohl spätestens seit März 2007 breit über die Immobilenkrise berichtet und diskutiert wurde, hat die Bank das Volumen bzw. die Risiken der entsprechenden Kapitalmarktaktivitäten nicht begrenzt, sondern noch ausgeweitet. Bis Juli 2007 befasste sich der Vorstand nicht mit der Subprimekrise. Zudem wurde noch im März 2007 mit Sachsen Funding eine neue Zweckgesellschaft gegründet.

– Mit Schreiben vom 1. August 2007 hat das Finanzministerium die SLB um Unterrichtung über die möglichen Folgen der Subprimekrise gebeten. Die Antworten waren beruhigend. Noch eine Woche später wurden zwar erhöhte, aber lösbare Liquiditätsrisiken dargestellt. Der Vorstand hat die möglichen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die SLB somit zu spät erkannt.

– Nach der Lösung der Mitte August aufgetretenen Liquiditätsprobleme durch den Poolvertrag (Liquiditätslinie für „Ormond Quay“, 17. August 2007), erwarteten alle Beteiligten, dass die Probleme bewältigt seien und keine Solvenzrisiken mehr be-stünden. Allerdings eignete sich der Poolvertrag aus Sicht der Gutachter nicht für eine umfassende Problemlösung, da die über den Ormond Quay-Komplex hinaus bestehenden Risiken nicht beseitigt oder reduziert wurden.

– In der Konsequenz weiterer Probleme (drohende Verluste) wurde am 25./26. August 2007 die Grundlagenvereinbarung mit der LBBW verhandelt und dabei die sächsischen Interessen berücksichtigt. Die in der Vereinbarung vorgesehene Vergütung bzw. Kompensation der Anteils¬eigner der SLB für die Übertragung ihrer Anteile an die LBBW erachtet Ernst & Young als angemessen. Die Vereinbarung wurde unter der damals herrschenden Annahme abgeschlossen, dass die Marktverwerfungen bis Jahresende wieder in geordnete Verhältnisse münden.

– Da die Sachsen LB bereits vor der Krise unter den Landesbanken einen Partner ge-sucht hat (Anlehnungslösung), war die Lösung in Form eines "Zusammengehens" mit einer anderen Landesbank nachvollziehbar und plausibel.

– Mit der weiteren Marktverschlechterung bestand Ende 2007 die Gefahr, dass die in der Grundlagenvereinbarung festgelegten Eigenkapital-Schwellenwerte unter-schritten worden wären. Da das Insolvenzrisiko der Bank bei einem Scheitern der Übernahme der LBBW sehr hoch gewesen wäre, lagen Nachverhandlungen im Interesse des Freistaats und der SFG.

– Nach mehreren Verhandlungsrunden wurde am 13. Dezember 2007 unter der Moderation der Präsidenten von BaFin und Deutschen Bundesbank das so genannte Eckpunktepapier vereinbart und unterschrieben. Die Grundlagenvereinbarung wurde damit auf ein den nunmehr vorliegenden Marktverhältnissen entsprechendes Maß angepasst.

Anlage: Zusammenfassung des Ernst & Young-Berichts


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