Sachsen intensiviert Kampf gegen häusliche Gewalt

23.11.2015, 11:41 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Ministerin Köpping: "Wir brauchen ein breites Bündnis gegen häusliche Gewalt"

Achtung: Geänderte Zahlen männliche/weibliche Tatverdächtige

Mit einer Informationsoffensive für Ärzte und weiteres medizinisches Personal intensiviert die sächsische Gleichstellungsministerin Petra Köpping den Kampf gegen häusliche Gewalt. Dazu ist in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden sowie Landesärztekammer und Landeszahnärztekammer Anfang November die bundesweit bislang einmalige flächendeckende Ärzte-Befragung angelaufen, die 20.000 Ärzte und Zahnärzte in Sachsen einschließt. Ihnen kommt bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt eine Schlüsselrolle zu, denn häufig werden sie in ihren Praxen als Erste mit deren Folgen konfrontiert. Ziel der Befragung ist zum einen zu erfassen, wie Ärztinnen und Ärzte mit Opfern häuslicher Gewalt umgehen, und ihnen zum anderen mittelfristig ein verbessertes Handlungskonzept an die Hand zu geben.

Leitfaden für Ärzte zur Erkennung von Opfern
Heute startet eine Frageaktion, die zunächst herausfinden soll, wie die Ärzte mit Betroffenen umgehen, wie sie in Hilfenetzwerke eingebunden sind und welche Hilfe etwa in Form von Handlungsanleitungen und Fortbildungen nötig ist, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. In 25 Fragekomplexen wird unter anderem das Wissen der Ärzte zum Thema Häusliche Gewalt sowie zu Schutz- und Beratungsangeboten erfasst. Anhand der Ergebnisse soll der Leitfaden für sächsische Ärztinnen und Ärzte aktualisiert und erweitert werden.

Ärzte haben Schlüsselrolle

„Häusliche Gewalt ist kein Kavaliersdelikt und unter keinen Umständen zu akzeptieren“, erklärt Gleichstellungsministerin Petra Köpping anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, der am 25. November begangen wird. „Wir brauchen ein breites Bündnis, um Betroffenen Hilfe zu geben. Eine Schlüsselrolle haben dabei die Ärztinnen und Ärzte, die wir noch stärker sensibilisieren und mit unserem Leitfaden unterstützen wollen, um Fällen von häuslicher Gewalt schneller auf die Spur zu kommen.“

„Wir versprechen uns insbesondere wichtige Informationen darüber, wie das Gesundheitswesen mit dem Hilfesystem zur Bekämpfung Häuslicher Gewalt besser vernetzt werden kann“, sagt Dr. Julia Schellong, Leiterin der Studie und Leitende Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Dresden. „Wenn Sie von ‚Familiendrama‘ in der Zeitung lesen, geht es um Häusliche Gewalt. Zurück bleiben fassungslose Angehörige und Freunde. Vor dem tragischen Ausgang steht nicht selten eine lange Geschichte von Gewalterleben im Verborgenen. Oft sind Ärzte die Einzigen, die Spuren davon hätten erahnen können. Ihre bedeutsame Mittlerrolle zu intensivieren, birgt eine enorme präventive Chance.“

Unter Häuslicher Gewalt werden gewalttätige Übergriffe in einer partnerschaftlichen Beziehung oder auf Angehörige oder auch Kinder verstanden. Im Jahr 2014 wurden in Sachsen 3.153 solcher Fälle als Straftaten erfasst. Das sind 69 Fälle oder 2,2 Prozent mehr als im Jahr 2013. In 2.159 Fällen (68,5 Prozent) handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte. 1.972 der Opfer (77,1 Prozent) waren weiblich, 585 männlich. In 37 Fällen waren junge Frauen zum Tatzeitpunkt schwanger. 1.876 der 2.311 Tatverdächtigen waren männlich, 435 weiblich. Die meisten der Taten ereignen sich in Städten. Mit 725 Fällen liegt Dresden an der Spitze, gefolgt von Leipzig mit 528 Fällen.

Zielgerichtetes Training von Ärzten führt zu schneller Hilfe

Studien zufolge hat bundesweit etwa jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. In jedem zweiten Fall trug das Opfer Verletzungen davon. In 8 von 10 Fällen war das Opfer erwachsen. Früheren Untersuchungen zufolge ist Ärzten häusliche Gewalt nur selten aufgefallen. Etwa 90 Prozent von ihnen waren die Hauptberatungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt unbekannt. Nach zielgerichtetem Training haben Ärzte häusliche Gewalt besser erkannt und die Patienten eher an spezialisierte Hilfeeinrichtungen überwiesen.

Freistaat Sachsen erhöht Fördermittel

Um Häusliche Gewalt zu bekämpfen, setzt der Freistaat auf eine stärkere Förderung des gesamten Hilfssystems. In diesem Jahr fördert der Freistaat die sächsischen „Interventions- und Koordinierungsstellen“ (IKS) mit 301.970 Euro (2014: 284.700 Euro). Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen werden darüber hinaus im Jahr 2015 mit 584.100 Euro gefördert (2014: 442.800 Euro). Für das Jahr 2016 ist eine weitere Erhöhung der Fördermittel geplant. Für Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen stehen dann bis zu 637.300 Euro sowie 487.500 Euro für die Interventions- und Koordinierungsstellen an Haushaltsmitteln bereit. Hinzu kommen jährlich 216.000 Euro für drei Täter-Beratungsstellen.

Immer mehr Opfer lassen sich beraten

Den sieben „Interventions- und Koordinierungsstellen“ (IKS) kommt bei der Bekämpfung von Häuslicher Gewalt in Kooperation mit dem Gesundheitsweisen die zentrale Rolle zu. Sie bieten von häuslicher Gewalt Betroffenen aktiv eine qualifizierte Beratung an und fördern die Zusammenarbeit staatlicher und nicht staatlicher Institutionen auf regionaler und überregionaler Ebene. Die Beratungs- und Hilfsangebote der IKS werden im Trend der letzten acht Jahre verstärkt in Anspruch genommen: Wurden im Jahr 2007 1.109 Menschen beraten, waren es 2014 bereits 2.214. Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr von Gewalt bedrohte Frauen – und zunehmend auch Männer – den Weg in Beratung und Hilfe finden und damit das Dunkelfeld verlassen.

Weiterführende Informationen zu Beratungsangeboten im Freistaat Sachsen:
http://www.gewaltfreies-zuhause.de/page.php?modul=Index

https://www.unwomen.de/themen/beendigung-der-gewalt-gegen-frauen/das-bundesweite-hilfetelefon-gewalt-gegen-frauen.html


Kontakt

Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration

Pressesprecherin Alexandra Kruse
Telefon: +49 351 564 54910
Telefax: +49 351 564 54909
E-Mail: pressegi@sms.sachsen.de
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