Kultusminister Roland Wöller präsentierte heute mit renommiertem Gehirnforscher erste Ergebnisse der Studie "Fokus Kind"

30.05.2011, 13:45 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und Sport (SMK) beschäftigte sich das Sächsische Bildungsinstitut (SBI) in Kooperation mit dem Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) in Ulm im Rahmen des Projektes „Fokus Kind“ mit dem Bildungstag sächsischer Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren.

"Das Besondere an dieser Studie ist der Blickwinkel. Der Lern- und Schulalltag wird aus den Augen des Kindes betrachtet", sagte Kultusminister Roland Wöller. "Genau so erfahren wir, wie wir den Lernerfolg der Kinder schon ab dem frühkindlichen Bereich verbessern können, denn auf den Anfang kommt es an", so Wöller weiter, "darum freut es mich umso mehr, dass wir gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Spitzer, einem bekannten Gehirnforscher auf diesem Gebiet, diese Studie durchführen können."

Ziel ist es, den Bildungstag von Kindern im Alter von 3 bis 12 Jahren wissenschaftlich zu untersuchen und aufgrund der Ergebnisse den Lernprozess von Kindern weiter zu verbessern. Die Studie ist in zwei Phasen unterteilt. In Phase A werden die empirischen Daten gesammelt, Phase B dient zur praktischen Umsetzung der Erkenntnisse und Erprobung neuer Wege im Lernalltag. Die Ergebnisse der Phase A liegen jetzt vor.

Im Mittelpunkt standen folgende Fragen:

Wie sieht der Bildungstag aus Sicht der Kinder aus?
Ein zentrales Anliegen war, Kinder auf Schritt und Tritt zu begleiten und alle Teilbereiche ihres Tages kennenzulernen: den Unterricht, den Alltag in Kindertageseinrichtungen, das freie Spiel, die Essenspausen, die Wege, den Hort oder das Ganztagesangebot.

Finden die Bedürfnisse der Kinder im Lernalltag Berücksichtigung?
Die Bildungstage der Kinder wurden mit Blick auf die alltäglichen physischen und psychischen Bedürfnissen der Kinder untersucht. Einerseits hatten die Kinder die Möglichkeit, im Rahmen eines Interviews individuelle Bedürfnisse frei zu beschreiben. Andererseits wurden sie mit Hilfe standardisierter Skalen zu kindlichen Bedürfnissen (wie z. B. soziale Einbindung, Autonomie oder Kompetenzerleben) befragt. Darüber hinaus wurde erhoben, inwiefern die pädagogischen Fachkräfte die Bedürfnisse der Kinder wahrnehmen und welche Möglichkeiten sie sehen, auf diese einzugehen.

Wird der individuelle Lernprozess von Kindern durch die zeitliche und räumliche Gestaltung bestmöglich unterstützt?
Während eines Tages in Kita oder Schule (mit Hort/GTA) durchlaufen Kinder zum Teil viele Stationen. Eine weitere Fragestellung zielte daher darauf zu erfassen, ob die Taktung des Tages ausreichend Zeit für Erholung und Verfestigung lässt.

Wie unterstützen die Bildungspartner im Einzelnen und in ihrer Kooperation den Lernprozess der Kinder?
Da Kinder während ihres Bildungstages zum Teil mit vielen pädagogischen Fachkräften in Interaktion treten, sind wechselseitige Abstimmungen sinnvoll und zielführend. Ob und wie das geschieht, bzw. welche Verbesserungsvorschläge für Kooperationen schon erdacht sind, aber noch nicht angewandt werden, wurde mittels Befragung der pädagogischen Fachkräfte erhoben. Hierbei wurde auch die Kooperation der Fachkräfte mit Eltern in den Blick genommen.

Die Kernaussagen der Ergebnisse der Phase A:

Kinder erleben in den sächsischen Ganztagsangeboten und in den Kindertageseinrichtungen viel Unterstützung für ihre Bildungsprozesse. Sie erleben sich dort als kompetente Persönlichkeiten, die eigene Entscheidungen treffen können und wählen können, wie und mit wem sie ihren Bildungsprozess gestalten. Sie sind dort gut in ein soziales Gefüge eingebunden, fühlen sich sicher und erleben ein wertschätzendes Lernklima. Für den Unterricht ist im Bereich der Gestaltung eines an Bedürfnissen orientierten Lernsettings Entwicklungsbedarf zu verzeichnen.

Jüngere Kinder haben große Freude an den Lernprozessen in den Einrichtungen und zeigen dabei eine entsprechend hohe emotionale Beteiligung. Je älter die Kinder sind, umso geringer ist ihre emotionale Beteiligung, sie berichten dann auch über mehr Langeweile als jüngere Kinder.

Kindergartenkinder haben über ihren Bildungstag hinweg ein hohes Aktivitätsniveau – sie bewegen sich im Vergleich zu den Schulkindern viel. Für die Schule und insbesondere den Unterricht ist wenig körperliche Aktivität der Kinder zu verzeichnen, Ausnahmen sind die Pausen und der Sportunterricht.

Jungen und Mädchen beteiligen sich emotional in den verschiedenen Lernsettings unterschiedlich. Für die Jungen im Grundschulalter ist vor allem der Hort ein Lernsetting, in dem sie Lernfreude erleben. Die emotionale Beteiligung der Mädchen ist im Unterricht aber höher als die der Jungen.

Kontakt Projektgruppe SBI

Projektleiterin SBI
Frau Dr. Patricia Liebscher-Schebiella
Tel. 0351 8324-481
E-Mail: fokus.kind@sbi.smk.sachsen.de

Hintergrundinformationen:

Projektbeschreibung

Das Projekt „Fokus Kind“ erstreckt sich über einen Zeitraum von vier Jahren und ist in zwei Projektphasen untergliedert:

Phase A vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2010 umfasst die empirische Ist-Stands-Analyse des Bildungstages sächsischer Kindergartenkinder ab 3 Jahren und sächsischer Schulkinder von Klassenstufe 1 bis Klassenstufe 6 an Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien.

Phase B vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012 umfasst die Entwicklung und Erprobung eines geeigneten Instruments zur Beschreibung des gelingenden Bildungstages von Kindern auf Basis der aus Projektteil A gewonnenen Erkenntnisse.

Stichprobe der empirischen Untersuchung

Um den Bildungstag eines Kindes vollständig und adäquat beschreiben zu können, wurden in Projektphase A sowohl unterschiedliche Untersuchungsebenen (Kind, pädagogische Fachkraft, Eltern, pädagogische Einrichtung) als auch unterschiedliche methodische Zugänge gewählt.

Im Hinblick auf die Stichprobenziehung kam ein geschichtetes Verfahren nach Sozialräumen zur Anwendung. Sowohl aus großstädtischen Sozialräumen, Mittelzentren als auch aus Kleinstädten/ländlichen Regionen wurden insgesamt 38 Einrichtungen mit über 1000 Kindern, deren Eltern und pädagogischen Fachkräften ausgewählt.

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer

Jahrgang 1958, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg, wo er sich auch zum Psychiater weiterbildete und die Habilitation für das Fach Psychiatrie (1989) erlangte. Er war von 1990 bis 1997 als Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg tätig. Zwei Gastprofessuren an der Harvard-Universität und ein weiterer Forschungsaufenthalt am Institut for Cognitive and Decision Sciences der Universität Oregon prägten seinen Forschungsschwerpunkt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft und Psychiatrie. Seit 1997 hat er den neu eingerichteten Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm inne und leitet die seit 1998 bestehende Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm.

Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL)

Das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm überträgt Erkenntnisse der Neurowissenschaften zum Lernen von der Theorie in die Praxis. Das interdisziplinär arbeitende Team aus Psychologen, Pädagogen und anderen Wissenschaftlern betreibt dazu Grundlagenforschung, führt Evaluationen durch und begleitet Bildungseinrichtungen in der Weiterentwicklung ihrer pädagogischen Arbeit.


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium für Kultus

Pressesprecher Dirk Reelfs
Telefon: +49 351 564 65100
Telefax: +49 351 564 65019
E-Mail: presse@smk.sachsen.de
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